Gone Girl - Das perfekte Opfer: Roman (German Edition)
interessiert, verkuppelt zu werden. Ich muss aus dem Hinterhalt überrumpelt werden, ich bin so eine Art wilder Liebes-Kojote. Sonst bin ich viel zu gehemmt. Sobald ich merke, dass ich versuche, charmant zu sein, versuche ich, noch charmanter zu sein, und dann verwandle ich mich praktisch in Liza Minelli: Ich tanze in Strumpfhose und Pailletten und bettle darum, geliebt zu werden. Stock und Stepptanz und jede Menge Zähneblecken.
Aber nein. Während ich zuhöre, wie Carmen von ihm schwärmt, wird mir klar, dass sie ihn mag. Gut.
Wir steigen drei schiefe Treppen hinauf, und ein Schwall Körperwärme und Autorentum schlägt uns entgegen: jede Menge schwarzgerahmter Brillen und Wuschelhaare, Pseudo-Westernhemden und heidekrautlila Rollkragenpullover, auf der Couch eine Lawine schwarzwollener Cabanjacken, die langsam auf den Boden rutscht, ein deutsches Poster von The Getaway (Ihre Chance war gleich Null!) verdeckt eine Wand, von der die Farbe abblättert. Aus der Anlage schallt Franz Ferdinand: »Take Me Out«.
Ein paar Typen hängen in der Nähe des Kartentischs rum, auf dem der ganze Alkohol steht, kippen sich alle paar Schlucke was nach, obwohl sie natürlich genau wissen, wie wenig für die anderen übrigbleibt. Ich dränge mich zu ihnen durch, strecke die Hand mit meinem Plastikbecher mitten ins Zentrum wie ein Straßenmusikant, und ein Kerl mit einem netten Gesicht und einem Space-Invaders-T-Shirt versorgt mich mit klirrenden Eiswürfeln und einem Schuss Wodka.
Bald werden wir auf eine Flasche mit tödlichem Grüner-Apfel-Likör – eine ironische Erwerbung des Gastgebers – zurückgreifen müssen, jedenfalls wenn keiner bereit ist, einen Ausflug zu machen und Nachschub zu besorgen. Da aber jeder zu denken scheint, dass er derjenige ist, der sich beim letzten Mal geopfert hat, scheint das nicht sehr wahrscheinlich. Eine typische Januar-Party, alle noch vollgefressen und zuckerbesoffen von den Feiertagen, gleichzeitig faul und genervt. Eine Party, bei der die Leute zu viel trinken, mit gewählten Worten einen Streit vom Zaun brechen und den Zigarettenqualm stur zum Fenster rausblasen, obwohl der Gastgeber sie gebeten hat, zum Rauchen nach draußen zu gehen. Alle haben schon bei tausend Weihnachtspartys miteinander geplaudert, keiner hat mehr wirklich was zu sagen, alle sind kollektiv gelangweilt, wollen aber auch nicht wieder raus in die Januarkälte – die Knochen tun noch weh von den U-Bahn-Treppen.
Inzwischen habe ich Carmen an ihren Verehrer, den Gastgeber, verloren – die beiden diskutieren in einer Küchenecke, die Schultern hochgezogen, die Gesichter einander zugewandt, formen sie ein Herz. Gut. Ich überlege, ob ich etwas essen soll, damit ich nicht bloß untätig im Zimmer rumstehe, und grinse wie die neue Schülerin im Speisesaal. Aber da ist nicht mehr viel zu holen. In einer riesigen Tupper-Schüssel liegen noch ein paar Kartoffelchips-Trümmer. Auf einem Couchtisch steht unberührt eine Supermarkt-Schale mit vertrockneten Möhren, verhutzelten Selleriestücken und einem spermaartigen Dip, dazwischen ausgedrückte Kippen, die auch aussehen wie Gemüsestifte. Ich spiele mein Spiel, mein Impuls-Spiel: Was, wenn ich jetzt vom obersten Theaterrang springe? Was, wenn ich den Penner, der mir in der U-Bahn gegenübersitzt, abküsse? Was, wenn ich mich jetzt bei dieser Party ganz allein auf den Boden setze und alles aus der Supermarkt-Schale aufesse, einschließlich der Kippen?
»Bitte iss nichts in dieser Gegend«, sagt er. Er ist es (bum bum BUMMM), aber ich weiß noch nicht, dass er es ist (bum-bum-bummm). Ich weiß, er ist ein Typ, der mit mir reden wird, er trägt seine Unverfrorenheit wie ein ironisches T-Shirt, nur passt sie ihm besser. Ein Typ, der sich benimmt, als hätte er jede Menge Sex, ein Typ, der Frauen mag, ein Typ, der mich bestimmt ordentlich vögeln würde. Und ich würde gern ordentlich gevögelt! Mein Dating-Leben scheint sich um drei Arten Männer zu drehen: adrette Ivy-League-Studenten, die denken, sie befinden sich in einem Scott-Fitzgerald-Roman, aalglatte Wall-Street-Kerle mit Dollarzeichen in Augen, Ohren und Mund, sensible Schlauberger, die so selbstkritisch sind, dass alles sich anfühlt wie ein Witz. Die Fitzgerald-Typen sind im Bett meistens ineffektiv pornographisch, jede Menge Lärm und Akrobatik und nicht wirklich was dahinter. Die Finanz-Jungs werden wütend und schlaff. Die Schlauberger vögeln, als würden sie mathematischen Rock komponieren: Erst klimpert die
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