GONE Lügen
Grabungen von unten und mit Flugzeugen von oben versucht und sich mit Unterseebooten in der Tiefe des Ozeans auf die Suche nach einem Zugang gemacht. Nichts hatte funktioniert.
Auch die Weltuntergangspropheten waren in Scharen herbeigeströmt, um ihre verworrenen Erklärungen zum Besten zu geben. Sie sahen darin eine Bestrafung für Amerikas Technologiebesessenheit, sein moralisches Versagen.
Und plötzlich waren die Zwillinge aufgetaucht. Einfach so. Zuerst Emma und kurz darauf Anna. Beide exakt in der Minute, als sie fünfzehn Jahre alt wurden.
Von ihnen erfuhren sie, was im Inneren der Glaskugel los war. Sie nannten sie die FAYZ.
Als Connie hörte, welche Rolle Sam in der FAYZ spielte, empfand sie Stolz für ihren Sohn. Entsprechend groß war aber auch ihre Verzweiflung, als die beiden von ihrem anderen Sohn Caine erzählten, dem Kind, das sie gleich nach seiner Geburt weggeben hatte.
Nachdem etwas später ein Schüler der Coates Academy wieder aufgetaucht war, geschah nichts mehr. Sie warteten und warteten, doch es kam niemand mehr heraus.
Mit der Zeit wurde den Familien klar, dass bis auf diese drei keines ihrer Kinder zurückkehren würde, und sie stürzten in ein schwarzes Loch. Monate vergingen. Viele verloren jegliche Hoffnung. Wie sollten die Kinder auf Dauer alleine überleben?
Doch dann war die Prophetin in ihren Träumen aufgetaucht. Eines Nachts hatte Connie Temple jenen schauderhaften Traum gehabt. Er war einfach unglaublich gewesen, jede Einzelheit gestochen scharf und von einer Intensität, dass es ihr den Atem verschlug. In ihren Traum war ein Mädchen getreten.
Das Mädchen sprach sie an. Es ist ein Traum , sagte es.
Ja, nur ein Traum , hatte Connie geantwortet.
Nicht nur ein Traum , hatte das Mädchen sie belehrt. Nenn es niemals »nur« einen Traum. Träume sind immer auch ein Fenster in eine andere Wirklichkeit .
Wer bist du? , hatte Connie gefragt.
Ich heiße Orsay. Ich kenne deinen Sohn.
Connie war kurz davor gewesen zu fragen, welchen , unterließ es jedoch. Das Mädchen sah nicht gefährlich aus, nur hungrig.
Hast du eine Botschaft für Sam?
Ja , sagte Connie. Sag ihm, er soll sie gehen lassen . In den roten Sonnenuntergang.
Orsay schrak aus dem Schlaf. Sie spürte, dass sie nicht allein war, und hielt die Augen geschlossen. Sie wollte noch nicht aufwachen, wollte noch einen Moment für sich sein.
Aber die andere ließ es nicht zu.
»Prophetin«, sagte Nerezza. »Ich weiß, dass du wach bist.«
Orsay schlug die Augen auf. Nerezza war ihr so nahe, dass sie ihren Atem spürte.
Sie blickte Nerezza in die Augen. »Ich verstehe das nicht«, sagte sie. »Diesen Traum hatte ich schon einmal. Den Traum von einer Frau, die träumt.« Sie versuchte angestrengt, sich zu erinnern. Das alles war so seltsam und flüchtig und unwirklich. Als wollte sie mit der Hand Nebelschwaden einfangen.
»Es muss ein sehr wichtiger Traum sein«, meinte Nerezza.
»Beim ersten Mal war ich an der Wand. Jetzt sehe ich dasselbe noch einmal im Schlaf. Aber ich habe Sam die Botschaft doch schon mitgeteilt. Warum sehe ich dasselbe noch einmal?«
»Weil es eine Sache ist, die Botschaft zu überbringen, und eine andere, ob Sam sie begriffen hat.«
Orsay setzte sich auf. Sie wäre lieber alleine gewesen. In letzter Zeit wurde ihr Nerezza immer unheimlicher. Aber sie war auch von ihr abhängig geworden, verließ sich auf ihren Rat, ihren Schutz und ihre Fürsorge.
»Du meinst, ich muss Sam die Botschaft noch einmal überbringen?«
Nerezza zuckte mit den Achseln und lächelte bescheiden. »Du bist die Prophetin. Das musst du selbst entscheiden.«
»Sie sagte: ›Lass die Kinder gehen. In den roten Sonnenuntergang.‹«
»Deine Vision von der großen Flucht aus der FAY Z – der rote Sonnenuntergang.«
Orsay schüttelte den Kopf. »Das war kein Traum, den ich mir ausgesucht habe. Ich war nicht an der Wand. Ich war hier und habe geschlafen.«
»Deine Kräfte wachsen.«
»Mir gefällt das nicht. Es is t … ich weiß nicht. Als würde mich jemand dazu drängen. Mich manipulieren.«
»Niemand kann deine Träume kontrollieren oder manipulieren«, entgegnete Nerezza. »Es sei den n …«
»Was?«
»Vielleicht ist es sehr wichtig, dass Sam es versteht. Vielleicht ist es sogar noch wichtiger, dass er sich der Wahrheit nicht widersetzt.«
»Ich bin keine Prophetin«, erwiderte Orsay müde. »Ich träume nur. Ich weiß nicht einmal, ob da was Wahres dran ist. Ich meine, manchmal wirkt es echt, andere Male
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