GONE Lügen
sich blitzschnell herum und streckte ihr die Handfläche entgegen. Taylor beunruhigte das nicht weiter. Sie hatte ihn schon oft geweckt und sich daran gewöhnt, dass Sam sozusagen mit gezückter Waffe aufwachte.
»Entspann dich, mein Großer«, sagte Taylor.
Sam setzte sich seufzend auf und rieb sich den Schlaf aus den Augen. Sein Oberkörper und die Schultern waren zum Anbeißen. Er war magerer als früher und nicht mehr so braun gebrannt wie in den alten Zeiten, als er noch eine richtige Strandratte gewesen war, aber immer noch unheimlich gut aussehend.
»Was ist?«, wollte Sam wissen.
»Och, nichts Besonderes«, antwortete Taylor. Sie musterte ihre Fingernägel und genoss es, ihn auf die Folter zu spannen. »Ich war unterwegs, hab das Gerücht verbreitet. Du weißt schon, mit den Kids geredet, die auf dem Weg zu Orsay waren. Ziemlich nachtaktiv, die Leute.«
»Und?«
»Na ja, da wär noch eine Kleinigkeit, die wichtiger sein dürfte, als Orsay für Astrid in den Dreck zu ziehen.«
»Sagst du mir endlich, was los ist?«, erwiderte Sam ungeduldig.
Viel, Sam, dachte Taylor. Verdammt viel. Aber im Moment wäre es sinnlos gewesen, ihm von dem Verrückten zu erzählen, der behauptete, Drake gesehen zu haben. Das hätte alles nur noch komplizierter gemacht und ihrer Hauptnachricht den Knalleffekt genommen.
»Erinnerst du dich an Brittney?«
Sein Kopf schoss vor. »Was ist mit ihr?«
»Sie sitzt bei Howard und Orc im Wohnzimmer.«
Dreizehn
45 Stunden, 16 Minuten
Orc war noch durch jedes Sofa und jedes Bett gekracht, das Howard für ihn aufgetrieben hatte. Nicht gleich, aber spätestens nach ein paar Tagen.
Doch Howard ließ sich immer wieder etwas einfallen. Die neueste Lösung bestand mehr aus Bett, denn aus Sofa oder Sessel. Drei extragroße Doppelbettmatratzen, die aufeinandergestapelt in einer Ecke lagen, damit Orc aufrecht sitzen und mit dem Rücken an der Wand lehnen konnte. Die oberste Matratze war mit einer Plastikplane bedeckt. Orc trank gerne einen über den Durst. Und manchmal machte er dann ins Bett. Oder kotzte alles voll. Wenn das geschah, raffte Howard die Plane zusammen und zerrte sie in den Garten, wo er sie auf einen Haufen aus schmutzigen Laken, zertrümmerten Möbeln und nach Erbrochenem stinkenden Schaumstoffmatratzen warf, der mittlerweile fast den ganzen Garten einnahm.
Kein Mensch wusste, wie viel Orc in Wirklichkeit wog. Leicht war er jedenfalls nicht, richtig fett aber auch nicht.
Orcs Mutation gehörte zu den sonderbarsten und verstörendsten in der ganzen FAYZ. Sie hatte sich erst bemerkbar gemacht, nachdem er von einem Rudel Kojoten angefallen und von den Biestern regelrecht in Stücke gerissen worden war.
Eigentlich hätte er tot sein müssen, doch dann hatten sich seine zerfleischten Körperteile mit einer grünlichen Substanz gefüllt, die wie feuchter Kiesel aussah, bei jeder Bewegung leise knirschte und seinen Körper allmählich mit einer steinernen Schicht überzogen hatte. Dazu war er auch noch in die Länge und in die Breite gegangen und mit der Zeit zu einem unverwundbaren und übermenschlich starken Riesen mutiert.
Von Orcs eigener Haut war lediglich ein schmaler Streifen im Gesicht übrig geblieben; er bedeckte eine Wange, lief um den Mund und reichte bis zum Hals.
Orc war wach, aber auch nur, weil Howard ihn angelogen und behauptet hatte, sie hätten nichts mehr zu trinken im Haus. Er thronte auf seinem Hochsitz in der Ecke und beobachtete das Mädchen, das sich gerade auf den Stuhl setzte, den Howard aus der Küche geholt hatte.
»Möchtest du ein Glas Wasser?«, fragte Howard sie.
»Ja bitte.«
Mit zitternden Händen hob Howard den Krug an, füllte ein Glas und reichte es ihr. Sie nahm es in ihre mit Erde verkrusteten Hände, hob es an die geschwollenen Lippen und trank es aus.
Normal. Absolut normal, obwohl hier absolut nichts normal war.
»Möchtest du noch mehr?«, fragte Howard.
Brittney gab ihm das Glas zurück. »Nein danke.«
Howard holte tief Luft, um das Schlottern seiner Hände in den Griff zu kriegen, und nahm das Glas entgegen. Dennoch wäre es ihm beinahe aus der Hand gefallen. Er stellte es so ungeschickt ab, dass es über die Tischkante rutschte. Es zerbrach nicht, aber der Aufprall auf dem Holzboden dröhnte so überlaut in seinen Ohren, dass er zusammenzuckte.
Dagegen war das nun folgende Klopfen an der Tür Musik in seinen Ohren.
»Gott sei Dank!«, murmelte Howard und stürzte in den Flur.
Dort standen Sam und Taylor. Sam machte
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