GONE Lügen
ein ernstes Gesicht, aber das war normal. Armer Sammy. Von seiner einstigen Unbekümmertheit und dem Glanz des Surferboys war nicht mehr viel übrig.
»Howard«, sagte er in dem bemüht neutralen Ton, der seine Verachtung verbergen sollte.
Sams Verhalten kam Howard irgendwie seltsam vor.
»Hey, gut, dass du vorbeischaust«, begrüßte Howard ihn. »Ich würde dir ja gerne Tee und Kekse anbieten, aber wir haben momentan nur gekochten Maulwurf und ein paar Artischocken im Haus. Und ein totes Mädchen.«
»Ein totes Mädchen?« Da war es wieder. Sam reagierte viel zu gelassen.
Taylor hatte ihn vorgewarnt. Klar. Deshalb war Sam nicht überrascht. Aber trotzdem, irgendwas stimmte nicht. Howard verdankte seinen Status in der FAYZ vor allem seiner ausgeprägten Menschenkenntnis. Ihr verdankte er auch, dass er es sich noch nicht mit Orc verscherzt hatte und dass er es zuletzt gegen sämtliche Widerstände in den Stadtrat geschafft hatte. Und das, obwohl Sam ihn sicher schon längst im Verdacht hatte, den Alkohol- und Drogenhandel in der Stadt zu kontrollieren.
Sam stand bloß da und sah Brittney an, die seinen Blick ungerührt erwiderte.
»Hallo, Brittney«, sagte er.
»Hi, Sam«, erwiderte sie.
Sogar in ihrer Zahnspange klebte Erde, wie Howard jetzt erst bemerkte. Und dann entdeckte er noch ein winziges Steinchen, das zwischen den Drähten an Brittneys linkem Schneidezahn steckte.
Seltsam, dass mir das auffällt, dachte Howard.
Das wirklich Seltsame war jedoch, dass ihn diese Details offenbar mehr beschäftigten als die Tatsache, dass sie hier saß und Small Talk führte.
»Wie bist du hierhergekommen?«, fragte Sam.
Brittney zuckte die Achseln. »Wahrscheinlich zu Fuß. Kann mich nicht erinnern.«
Orc meldete sich mit seiner tiefen Stimme zu Wort: »Sie stand auf der Veranda, als ich zum Pinkeln rausmusste.«
Sam warf Howard einen skeptischen Blick zu, der nickte zustimmend.
»Weißt du, wo du bist?«, fragte er.
»Klar. Ich bi n …«, begann sie, runzelte kurz die Stirn und fügte dann unbekümmert hinzu: »Ich bin hier.«
»Weißt du, wer wir sind?«
Sie nickte langsam. »Sam, Howard, Taylor, Orc, Tanner.«
»Tanner?«, platzte es aus Taylor heraus.
Sam hätte beinahe einen Schritt zurück gemacht. Howard starrte sie perplex an.
»Wer ist Tanner?«
»Einer von den Kleinen, di e …«, begann Taylor zu erklären, doch dann biss sie sich auf die Lippen. »Er ist ihr kleiner Bruder. Er war in der Kita, al s …«
Jetzt begriff Howard. Er hatte den Namen vergessen. Tanner gehörte zu den Kleinen, die die Schlacht um Perdido Beach nicht überlebt hatten. Die in Panik geratenen Kojoten waren über die Kinder hergefallen und dann war es zu wilden Schießereien gekommen.
»Wo ist Tanner?«, fragte Sam sanft.
Brittney lächelte den leeren Raum zwischen Howard und Taylor an. »Dort, wo er immer ist.«
»Brittney? Weißt du noch, was geschehen ist?« Sam fiel es offenbar schwer, seine Frage in Worte zu fassen. »Erinnerst du dich an das Kraftwerk? An Caine und Drake?«
Ihr Schrei ließ alle zusammenfahren, sogar Orc. Es war ein wildes, hasserfülltes Kreischen.
»Der Dämon!«, schrie sie und heulte danach auf wie ein wildes Tier.
Howard stellten sich die Nackenhaare auf und seine Eingeweide drohten sich zu verflüssigen.
Plötzlich war sie still.
Sie hob einen Arm. Starrte den Arm an, als gehörte er nicht zu ihr, als verstünde sie nicht, was er da sollte. Ihre Stirn legte sich in Falten.
»Brittney«, durchbrach Sam die unheimliche Stille. »Kannst du mi r …?«
»Ich glaube, ich möchte jetzt schlafen«, sagte Brittney und ließ den Arm wieder sinken.
»Okay. Ic h … ä h … wir finden was für dich, wo du übernachten kannst.« Sam sah Taylor an. »Gib Brianna Bescheid. Sag ihr, dass wir kommen.«
Howard hätte beinahe laut gelacht. Brianna würde nicht gerade begeistert sein. Andererseits hatte Sam sich damit für jemanden entschieden, auf dessen Loyalität er absolut zählen konnte.
»Das bleibt unter uns«, sagte Sam.
»Noch mehr Geheimnisse, Sammy?«, fragte Howard.
Sams Augen flackerten, aber er ließ sich nicht provozieren. »Die Leute sind schon verängstigt genug.«
»Du verlangst ganz schön viel, Mann«, ereiferte sich Howard. »Immerhin sitze ich im Rat. Ich soll das den anderen verschweigen? Und mir Ärger mit Astrid einhandeln?«
»Ich weiß, dass du dealst«, erwiderte Sam kalt. »Wenn du nicht den Mund hältst, mach ich dir die Hölle heiß.«
»Ach ja?« Howard gab
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