GONE Lügen
sich unbeeindruckt.
»Ich brauch einfach Zeit zum Nachdenken«, sagte Sam. »Ich will nicht, dass die Leut e … dass es Gerede gibt.«
Howard lachte. »Du meins t …?«
»Sprich es gar nicht erst aus!«, unterbrach Sam ihn scharf.
Howard grinste und legte die Hand aufs Herz. »Ich schwöre, ich werde nicht der Erste sein, der das Z-Wort verwendet.« Dann fügte er theatralisch flüsternd hinzu: »Zom-biiie.«
»Howard, sie ist kein Zombie. Schalt doch mal dein Hirn ein! Sie hat die Kraft und die ermöglicht es ihr, sich zu regenerieren. Wenn du drüber nachdenkst, unterscheidet sie sich kaum von Lana. Brittney war völlig entstellt, als wir sie begruben. Jetzt ist sie körperlich wiederhergestellt.«
»Mag sein«, erwiderte Howard belustigt. »Aber irgendwie kann ich mich nicht erinnern, dass Lana je aus einem Grab gekrochen ist.«
Der kleine Pete wachte auf.
Es war dunkel. Dunkel war gut. Bei Licht drohte ihm das Hirn zu platzen.
Es war still. Auch gut. Geräusche taten seinem Kopf weh.
Er musste selbst still bleiben, denn sonst käme jemand und brächte Licht und Lärm und Berührung und Schmerz und Panik und alles würde über ihn hereinstürzen wie eine tausend Meter hohe Flutwelle und ihn herumwirbeln und niederschmettern und zerschlagen.
Dann müsste er herunterfahren. Alles abschalten. Sich verstecken. Zum Spiel zurückkehren, weil nur im Spiel Finsternis und Stille herrschte.
Aber jetzt ohne Licht und ohne Lärm und ohne Berührung konnte er sich ganz kurz, nur einen Moment lang, festhalte n … an sich selbst.
A n … an nichts.
Er wusste, wo das Spiel war. Es lag neben ihm auf dem Nachttisch.
Es wartete. Rief ihn leise, damit er sich nicht aufregte.
Nemesis, nannte es ihn.
Nemesis.
Lana war die ganze Nacht auf gewesen. Um einschlafen zu können, hatte sie gelesen und versucht, in die Geschichte einzutauchen, sich in ihr zu verlieren. Doch vergeblich.
Neben ihr stand ein Kerzenstummel, in der FAYZ ein selten gewordener Luxus, an dem sie sich jetzt eine Zigarette ansteckte. Eigentlich erstaunlich, wie schnell sie sich das Rauchen angewöhnt hatte.
Zigaretten und Wodka. Die Flasche stand neben dem Bett und war schon zur Hälfte leer. Der Alkohol hatte auch nicht geholfen.
Lana durchsuchte ihr Gehirn nach dem Gaiaphage. Er war aber nicht da. Zum ersten Mal, seit sie aus dem Schacht gekrochen war, war es still in ihrem Kopf.
Er war fertig mit ihr. Zumindest vorläufig.
Das hätte sie beruhigen sollen. Aber Lana wusste, dass er wiederkehren würde, sobald er sie brauchte. Er würde sie immer wieder benutzen und niemals freigeben.
»Was hast du angerichtet, du böser alter Troll?«, murmelte sie schläfrig. »Was hast du mit meiner Kraft gemacht?«
Sie versuchte sich einzureden, dass der Gaiaphage sie nur zum Heilen brauchte und damit keinen Schaden anrichten konnte.
Aber sie wusste es besser. Die Dunkelheit drang nicht ohne Grund in ihre grauen Zellen ein und bediente sich ihrer Kraft.
Er war tagelang in ihrem Kopf gewesen und hatte sie benutzt. Um zu heilen?
Aber wen?
Sie nahm die Wodkaflasche vom Boden, hob sie an die Lippen und trank einen Schluck des flüssigen Feuers.
Und was?
Vierzehn
30 Stunden, 25 Minuten
In den ersten Tagen nach dem Verschwinde n – oder der Befreiung, wie Sanjit insgeheim dacht e – hatten er und seine Geschwister das gesamte Anwesen durchkämmt.
Sie waren den ganzen Tag zusammengeblieben und Sanjit hatte versucht, die anderen bei Laune zu halten, damit sie sich nicht zu sehr fürchteten.
»Wollen wir überhaupt jemanden finden?«, fragte er sie lachend.
»Wir brauchen die Erwachsenen«, erwiderte Virtue auf seine pedantische Art.
»Wozu?«
»Weil, ä h …« Virtue zuckte die Schultern.
»Was ist, wenn einer von uns krank wird?«, wollte Peace wissen.
»Geht’s dir nicht gut?«
»Doch, schon.«
»Na also, dann ist ja alles in Ordnung.«
Obwohl die Situation gespenstisch war und sie jeden Grund hatten, sich Sorgen zu machen, war Sanjit vor allem erleichtert gewesen. Endlich musste er nicht mehr auf den blöden Namen Wisdom hören und tausend Regeln befolgen. Er mochte keine Regel n – und jetzt gab es keine mehr.
Auf die Fragen der anderen wusste Sanjit keine Antworten. Klar schien nur, dass die Erwachsenen weg waren. Und dass die Telefone, die Funkgeräte und der Satellit nicht funktionierten.
Damit konnte Sanjit leben.
Aber den drei Kleinen stand die Angst ins Gesicht geschrieben, und selbst Choo, den gewöhnlich nichts aus der Ruhe
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