GONE Lügen
Gesichtsausdruck vor sich, als er wie eine Rakete und mit zum Schrei aufgerissenem Mund kopfüber nach unten schoss. Und wie sie dagestanden und eine halbe Ewigkeit darauf gewartet hatten, dass Hank wieder auftauchte.
»Wie ein Kopfsprung von einem Hochhaus in eine Müslischale«, hatte Lance gesagt. Hank lag jetzt unter Wasser im Schlamm begraben. Es hätte aber genauso gut ihn treffen können. Zil könnte jetzt auch mit dem Kopf voran im Meeresboden stecke n …
»Dadurch werden uns die Leute auf jeden Fall glauben«, meldete sich Turk vorsichtig zu Wort und knabberte nervös an seinen Fingernägeln.
»Wodurch?«, fuhr Zil ihn an.
»Na ja, Caine hat Hank umgebracht. Ich meine, da kann doch keiner mehr behaupten, wir hätten einen Deal mit Caine gehabt.«
Zil nickte gedankenverloren.
»Das stimmt«, sagte Lance. Es sah beinahe so aus, als grinste er. Eine Sekunde lang meinte Zil in Lance etwas zu erkennen, was nicht zu seinem hübschen Gesicht und dem coolen Gehabe passte.
»Vielleicht sollten wir einfach damit aufhören.«
Lisas Stimme zu hören, überraschte Zil. Normalerweise sagte sie nichts. Die meiste Zeit hing sie an ihm dran wie eine Klette. Folgte ihm auf Schritt und Tritt wie ein dummes Schaf. Dann fand er sie unerträglich, doch in diesem Moment hasste er sie regelrecht, weil sie die Wahrheit aussprach: dass Zil verloren hatte.
»Was heißt ›einfach damit aufhören‹?«, fragte Lance, der Lisa auch nicht mochte. Aber für Lance käme sie sowieso nicht infrage, dazu war sie nicht hübsch genug. Nein, sie war bloß das Beste, was Zil haben konnte.
»Ich mein e …«, begann Lisa, zuckte dann aber mit den Schultern und verfiel wieder in Schweigen.
»Folgendes«, sagte Turk. »Wir müssen einfach nur darauf beharren, dass Caine an allem schuld ist. Wir sagen allen, dass Caine die Stadt angezündet hat.«
»Ja«, meinte Zil ohne rechte Überzeugung. Er ließ den Kopf hängen und starrte den fadenscheinigen Teppich auf dem Boden an. »Die Freaks.«
»Genau«, bestätigte Turk.
»Das waren die Freaks«, sagte Lance. »Stimmt ja auch. Wer hat uns denn in diese Scheiße geritten? Caine.«
»Richtig«, stimmte Turk ihm zu.
»Jedenfalls brauchen wir mehr Leute«, meinte Lance. »Antoine war die meiste Zeit zugedröhnt. Aber Han k …«
Zil hob den Kopf. Vielleicht gab es ja wirklich noch Hoffnung. Er nickte Lance zu. »Stimmt, wir brauchen mehr Leute.«
»Wenn die Kids hören, dass wir Caine aufhalten wollten, schließen sie sich uns an«, sagte Turk, aber in seiner Stimme klangen Zweifel mit.
Lance lächelte. »Wir wollten Caine daran hindern, die Stadt abzufackeln.«
»Und Hank hat dafür mit dem Leben bezahlt«, fügte Zil hinzu und glaubte es fast schon selbst.
»Lance, auf dich hören sie. Du und Turk, und du auch, Lisa, ihr müsst dafür sorgen, dass es sich rumspricht.«
Die drei blieben stumm.
»Ihr tut, was ich befehle!«, fuhr er sie an. »Ich bin der Führer.«
»Ja, schon«, meinte Turk, »abe r … ich meine, was, wenn uns die Leute nicht glauben?«
»Hast du etwa Angst?«
»Ich nicht«, sagte jetzt Lisa. »Ich geh raus und erzähle allen unseren Freunden die Wahrheit.«
Zil musterte sie misstrauisch. Warum war sie auf einmal so mutig?
»Cool, Lisa«, sagte er. »Das wäre heldenhaft.«
Lance seufzte. »Na gut. Wenn sie das kann, kann ich es auch.«
Nur Turk blieb sitzen. Er warf Zil einen verstohlenen Blick zu. »Jemand muss hierbleiben und dich beschützen, Führer.«
Zil lachte freudlos. »Klar, Turk. Wenn Sam hier auftaucht, kannst du ihn sicher aufhalten.«
»Das große Leiden«, sagte Nerezza.
Orsay erwiderte nichts. Sie hatte das schon einmal gehört. Waren das ihre eigenen Worte gewesen?
Ihr Gedächtnis kam ihr vor wie ein mit kaputten Spielsachen und alten Möbeln vollgeräumter Speicher. Oft wusste sie nicht einmal, wo sie gerade war oder welchen Tag sie hatten. Und nach dem Warum fragte sie schon lange nicht mehr.
Nerezza schien zu ahnen, was in ihr vorging, denn sie fuhr fort: »Du hast uns das große Leiden prophezeit. Eine Zeit ärgster Not. Ich glaube, jetzt brauchen sie vor allem eins: deinen Rat.«
Sie waren zur Sheridan Street gegangen und standen jetzt am Rand des abgebrannten Viertels. Im grauen Licht der Morgendämmerung wirkte es gespenstisch. Aus vielen Häusern stieg immer noch Rauch auf und hie und da züngelten ein paar vereinzelte Flammen aus verkohlten Fenstern.
Manche Häuser waren verschont geblieben und standen völlig intakt
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