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Good Girls

Titel: Good Girls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Ruby
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und im Backofen ist auch nichts. Mein Vater lehnt am Küchenschrank. Er hat die Jacke noch an, als könnte er sich nicht entscheiden, ob er kommt oder geht. Er zieht ein zusammengefaltetes Blatt Papier aus seiner Jackentascheund streicht es auf der Arbeitsplatte glatt. Ich brauche es mir nicht anzusehen, aber ich sehe es trotzdem. Es ist das Foto. Diesmal mit Kommentar: »Was ist bloß aus dem kleinen Engel geworden?«

Eiszeit
    Dad weiß nicht, was er tun soll. Er zieht seine Jacke aus und hängt sie sich über den Arm. Dann hängt er sie über den anderen Arm. Er wirft sie auf die Arbeitsplatte. Er zieht sie herunter und hängt sie über eine Stuhllehne. Seine Hände tätscheln die Schultern der Jacke, als hätte sie jemand an. Er sieht mich nicht an.
    Ich sitze mit Mom am Küchentisch und zähle die Kratzer in der Holzplatte. Es sind sehr viele Kratzer. Unsere Möbel sind fast alle alt oder billig oder beides. Meine Eltern lieben Flohmärkte und Antikläden. Mom hat vor Kurzem ernsthaft darüber nachgedacht, einen Second-Hand-Laden aufzumachen. Bis Dad sie daran erinnert hat, wie sehr sie den geschäftlichen Teil von Geschäften hasst.
    »Woher hast du das?«, fragt Mom. Nicht mich, sondern Dad.
    »Jemand hat es an den Laden gemailt«, sagt er.
    Meine Mutter dreht sich zu mir um. »Ist das der Grund, warum du vorher so bedrückt warst?«
    Ich nicke.
    »Was soll das? Will dir jemand einen schlechten Streich spielen? Hat sich jemand wie du verkleidet?«
    Einen kurzen Moment lang spiele ich mit dem Gedanken, zu sagen: »Ja, genau! Ein dummer Scherz! Es ist nur ein dummer Scherz!« Aber ich schüttle den Kopf.
    Moms Finger streichen über die Ecke des Blatt Papiers auf dem Tisch. »Das heißt, das bist wirklich du?«
    Ich nicke mit gesenktem Blick.
    »Von Samstagabend?«
    Wieder schweigendes Nicken.
    Dads Griff um die Schultern seiner Jacke wird fester. »Hat dich jemand gezwungen, ihn zu –«
    »Nein«, widerspreche ich. »Niemand hat mich gezwungen.«
    »Ich verstehe das nicht«, sagt er. »Wie konnte jemand ein Foto davon machen? Habt ihr es ihm erlaubt?«
    »Nein!«, sage ich.
    »Das macht man heutzutage also auf Partys?«, ruft Dad wütend.
    »John …«, sagt Mom. »Lass sie reden.«
    Mein Vater reißt zornig das Foto vom Tisch. »Wer ist das?«, will er wissen und zeigt mit dem Finger auf die nackte Brust über meinen Haaren.
    »Niemand, den du kennst«, sage ich.
    Dads Kinn zittert, als hätte ich ihm eine Ohrfeige verpasst. »Niemand?«, fragt er.
    Ich weine nicht. Es ist unmöglich, dass ich nicht weine. Aber ich kann nicht. Mein Inneres fühlt sich kalt und hart an. Wie Marmor. Eine versteinerte Audrey-Statue,die am Küchentisch sitzt. Stevie springt auf meinen steinernen Schoß und leckt meine steinernen Finger. Als er anfängt zu knabbern, spüre ich kaum seine Zähne.
    Moms Lippen formen lautlose Worte. Schließlich sagt sie: »Ist das dein Freund?«
    Ich hätte beinahe laut losgelacht. Doch mein Marmormund ist zu starr. »So ähnlich«, sage ich. »Aber nicht mehr. Ich habe mit ihm Schluss gemacht.«
    »Himmel noch mal!«, sagt Dad. Er starrt mich an. »Sag mir, dass ihr euch wenigstens geschützt habt.«
    »Das war nicht nötig«, sage ich. »Zumindest nicht dafür.« Ich kann nicht glauben, was ich sage, als ich es sage. Es ist nicht peinlich. Es ist nicht demütigend. Es ist viel schlimmer. Ein Gefühl tief in mir drin. Düster und grausam, wie ein riesiges schwarzes Loch aus rotierenden Sägeblättern.
    Dad sieht aus, als hätte er eine Biene verschluckt. »Es war nicht nötig…«
    Mom wirft ihm einen warnenden Blick zu und er schließt den Mund. Sie sagt: »Du warst also … mit deinem Freund zusammen und jemand hat das Foto gemacht. Weißt du, wer das war?«
    »Nein«, sage ich. »Ich habe keine Ahnung. Jemand muss es heimlich gemacht haben.«
    Mom nickt wieder, als verstünde sie. Dabei weiß ich genau, dass sie überhaupt nichts versteht. Sie ist völlig ratlos. Bestimmt wird sie bald professionelleHilfe organisieren. Vielleicht haben sie das früher nicht getan oder es gab keine Beweise. Keine Digitalkameras oder Fotohandys. Keine E-Mails und keine Blogs oder Direktnachrichten. Keine Fotos, die man den Vätern von Mädchen schicken konnte. »Wer hat das Foto noch gesehen?«
    »Alle.«
    Sie blinzelt. »Oh, Schatz.«
    »Was soll das heißen ›alle‹?«, sagt Dad. Er zieht die Augenbrauen so sehr zusammen, dass sich die Falten über seiner Nase stauen.
    »Sie haben es in der Schule von Handy

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