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Good Girls

Titel: Good Girls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Ruby
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zu Handy geschickt. Den ganzen Tag über.«
    Es ist still. Wie lange, weiß ich nicht. Wir hören das Ticken der Uhr. Wir hören, wie Stevies Zunge geduldig meine Fingerspitzen ableckt.
    Schließlich sagt Dad: »Ich werde den Telefonanbieter anrufen.«
    »Wozu?«
    »Um herauszufinden, wer das Foto verschickt hat.«
    »Geht das denn?«
    »Ich kann es jedenfalls versuchen«, sagt er. Sein Mund ist nur noch ein schmaler Strich. »Ich bin mir sicher, dass es der Junge war.«
    »Welcher Junge?«, sage ich.
    Er deutet auf das Foto. »Der hier. Wahrscheinlich hat er einen Freund gebeten, das Foto für ihn zu machen.«
    Ich seufze. »Das glaube ich nicht. Das konnte er gar nicht wissen.«
    » Was konnte er nicht wissen?«
    Dass ich sein Hemd aufknöpfen und wie einen Vorhang ausbreiten würde. Dass ich den Gürtel aus seiner Hose ziehen und hinter mich werfen würde.
    Aber wer weiß? Vielleicht hat er es doch gewusst. Vielleicht konnten er und alle anderen erahnen, wohin das führen würde, nur ich nicht.
    » Was konnte er nicht wissen?«, wiederholt mein Vater. » Was konnte er nicht wissen?«
    Als ich klein war, haben wir oft zusammen Ball gespielt. Ich kann immer noch einen Baseball wie ein Junge werfen und mein Footballwurf ist ruhig und kraftvoll. »Guter Wurf, guter Wurf!« rief Dad mir dann freudestrahlend zu. Jetzt starrt er mich an, als hätte er keine Ahnung, wer ich bin und was ich hier will.
    »Ich weiß es nicht«, murmle ich. »Ist nicht so wichtig.« Dad reißt seine Jacke vom Stuhl und stapft aus dem Zimmer.
    »Audrey«, sagt Mom. »Er ist nur wütend. Er wird sich bestimmt wieder beruhigen.«
    »Klar«, sage ich.

    Klar ist, dass sich Dad erst dann beruhigen wird, wenn er jemanden gefunden hat, den er zur Rechenschaft ziehen kann. Oder den er erschießen kann. Den Montagabend verbringen wir in unnatürlicher Stille, während Dad stundenlang im Internetsurft und nach Gesetzen über das Versenden von Fotos per Handy sucht. Mom bringt mir kannenweise heißen Tee und versucht verzweifelt herauszufinden, was sie genau zu mir sagen soll. Wir versuchen uns gemeinsam eine neue Krimiserie anzusehen. Mom liebt Krimis über alles und hat mich angesteckt. Doch in dieser Folge geht es um ein paar Jungs, die ein Mädchen bei einem Treffen vergewaltigen. Weder ich noch Mom können das ertragen. Wir schalten den Fernseher aus und gehen früh zu Bett. Ich kann nicht schlafen.
    Am Dienstagmorgen sind wir immer noch nicht darüber hinweg. Und das wird auch noch lange so bleiben. Dad geht aus dem Haus, bevor ich aufstehe, damit er mich nicht sehen muss. Mom sitzt in Jogginghose und Sweatshirt am Küchentisch und starrt vor sich hin, während der Kaffee in der Tasse vor ihr kalt wird. Sie sieht so aus, wie ich mich fühle. Dunkle Ringe unter den Augen, zerzaustes und zerknautschtes Haar. Das Sonnenlicht, das durch die Vorhangsschlitze dringt, zeichnet ein feines Netz aus Fältchen um ihre Augen.
    »Hast du geschlafen?«, fragt sie mich.
    »Fast nicht«, sage ich.
    »Ich auch nicht.«
    Sie steht auf, geht zur Kaffeemaschine und schenkt eine zweite Tasse Kaffee ein. Sie gibt Milch und viel Zucker hinzu und drückt mir die Tasse in die Hand. Ich trinke nur selten Kaffee, aber heute brauche ich ihn, und das weiß sie. Ich nehme mir einJoghurt aus dem Kühlschrank, eine Serviette und einen Löffel und wir setzen uns an den Küchentisch. Wir haben zwei Minuten, bis Ash mich abholt.
    »Es tut mir leid, was passiert ist«, sagt sie.
    »Mir auch.«
    »Ich verstehe nicht, wie jemand so gemein sein kann. Dieses Foto von dir zu machen und herumzuschicken. Es ist schrecklich. Wer könnte bloß so wütend auf dich sein?«
    »Vielleicht war es auch jemand, der mich gar nicht kennt, Mom.« Ich reiße den Joghurtdeckel ab und nehme einen Löffel. Es schmeckt wie Kleister. »Es könnte irgendjemand sein, der das einfach nur lustig findet.«
    »Lustig?«, sagt Mom. Sie dreht ihre Tasse in ihren Händen. »Ich würde den, der das getan hat, am liebsten umbringen.«
    »Du meinst wohl, du würdest mich am liebsten umbringen.«
    Sie sieht mich entsetzt an. »Natürlich nicht!«
    »Aber Dad.«
    »So was darfst du nicht sagen«, sagt sie. »Dad liebt dich über alles.«
    »Trotzdem würde er mich am liebsten umbringen.«
    »Weißt du, das ist sehr schwer für ihn. Für jeden Vater. Er will nicht, dass dich jemand ausnutzt.« Sie holt tief Luft. »Sex ist etwas Wunderschönes, vorausgesetzt, es ist mit dem Richtigen. Gab es … waren da … noch

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