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Goodbye Chinatown: Roman (German Edition)

Goodbye Chinatown: Roman (German Edition)

Titel: Goodbye Chinatown: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Kwok
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schlechten davonzugehen. Ich ging zu ihr und hakte mich bei ihr unter. Ich dachte, Papa, ich wünschte, du wärst hier, um uns zu helfen. Bitte hilf mir, mein Englisch zu perfektionieren, damit ich für uns sorgen kann. Mama drückte sanft meine Hand, und wir beteten zusammen für unsere Zukunft.
     
    Am darauffolgenden Sonntag kehrten Mama und ich gerade von unserem wöchentlichen Lebensmitteleinkauf in Chinatown
zurück, als mir auffiel, dass das Licht in Mr Als Laden brannte. In seinem Schaufenster hing ein großes Schild mit der Aufschrift: »Räumungsverkauf – alles muss raus!« Ich spähte durch die Tür und sah, dass Mr Al drinnen Kisten hin- und herschob.
    Mama nahm die Einkaufstüten in eine Hand, damit sie ihren Schlüssel aus der Tasche fischen konnte. »Wir stören ihn besser nicht. Er scheint beschäftigt zu sein.«
    Aber da hatte uns Mr Al schon entdeckt. Er kam zur Tür und schloss sie auf. »Kommt doch rein.«
    »Danke, nein«, antwortete ich. »Wir müssen Essen in Kühlschrank legen. Aber warum Sie hier an Sonntag?«
    »Weil ich eine Menge zu erledigen habe. Ich muss aussortieren, von welchen Sachen ich mich trennen will und welche ich mitnehme.«
    Ich war erschüttert. »Sie weggehen?« Mr Al winkte uns jedes Mal, wenn er uns sah. Er war unser Freund und kümmerte sich um uns. Nachdem wir ihn ein wenig besser kennengelernt hatten, hatte ich ihm erzählt, wie uns der Inhaber des Lebensmittelgeschäfts zu viel Geld für Eis abgeknöpft hatte.
    »Dieser Kerl hat überhaupt kein Recht, anständige Leute wie euch übers Ohr zu hauen«, hatte Mr Al geantwortet. Er musste auch mit dem Inhaber gesprochen haben, denn das nächste Mal, als wir in den Laden gingen, schenkte er mir eine Zuckerperlenkette.
    »Was ist los?«, fragte mich Mama. Sie hatte nicht mitbekommen, worüber wir sprachen.
    Mr Al sah besorgt aus. »Wisst ihr das denn nicht? Alle ziehen nach und nach hier weg. Die ganze Gegend ist dem Untergang gedeiht. «
    »Was?« Meine Stimme klang genauso verwirrt, wie ich mich fühlte.
    »Am Ende. Keine Hoffnung mehr. Die Regierung will hier ein paar riesige Wosielos hochziehen. Alle Gebäude in diesem Block und auf der anderen Straßenseite werden abgerissen.«
    »Wann?«
    »Was ist passiert?«, fragte Mama noch einmal, hörbar beunruhigt.
    »Erzähl ich dir später«, vertröstete ich sie auf Chinesisch. Ich wartete immer noch auf Mr Als Antwort.
    »War ursprünglich für nächstes Jahr geplant«, sagte er. »Aber es wird immer wieder verschoben. Viele Leute beschweren sich und versuchen, das Vorhaben zu stoppen. Dauert wahrscheinlich noch mal zehn Jahre, bis es tatsächlich dazu kommt, könnte aber genauso gut schon nächstes Jahr passieren. Und keiner hat Lust hierzubleiben und zu warten, bis er rausgeschmissen wird. Die Ratten verlassen das sinkende Schiff.« Er klopfte mir mit seiner langen braunen Hand auf die Schulter. »Ihr zwei seid anständige Menschen. Ihr solltet das Weite suchen, solange ihr noch könnt. Die Hausbesitzer werden nichts mehr für uns tun, während wir auf den Abriss warten. Niemand will hier noch Geld reinstecken. Mein Fenster zur Hofseite ist seit Monaten kaputt. Das Geschäft läuft schlecht, weil alle abhauen.«
    »Wann Sie gehen?«
    »Mein Mietvertrag läuft Anfang März aus. Ich ziehe in die Nähe meines Bruders, zurück nach Virginia.«

5
    Z u Hause erklärte ich Mama, was Mr Al gesagt hatte.
    »Das beweist doch, dass wir umziehen dürfen, sobald eine gute Wohnung frei wird«, sagte Mama und lächelte. »Hier können wir schließlich nicht bleiben.«
    »Aber das kann noch ewig dauern, Mama. Tante Paula wusste, dass die Häuser hier abgerissen werden. Warum hat sie uns nichts davon gesagt?«
    »Vielleicht wollte sie uns nicht beunruhigen.«
    Ich dachte angestrengt nach. »In Wirklichkeit bedeutet es doch nur, dass Mr N. ganz sicher die Heizung nicht repariert und auch sonst nichts in unserer Wohnung. Mama, wir müssen eine neue Wohnung finden.«
    Sie sog scharf die Luft ein. »Das können wir uns nicht leisten.«
    »Andere Leute, die in der Fabrik arbeiten, wohnen doch auch in normalen Wohnungen.«
    »Vergiss nicht, dass die Miete nur ein Teil des Betrags ist, den wir Tante Paula jeden Monat zahlen müssen. Unsere Schulden sind so hoch! Und diese Wohnung hier ist wenigstens billig.«
    »Billiger als in Chinatown? Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Wohnungen dort viel kosten.«
    »Die wirklich billigen werden innerhalb der Familie weitergereicht. Da wird nie

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