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Goodbye Chinatown: Roman (German Edition)

Goodbye Chinatown: Roman (German Edition)

Titel: Goodbye Chinatown: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Kwok
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Antibiotika dem Husten und den blutbefleckten Taschentüchern ein Ende gemacht. Das Datum unserer Abreise nach Amerika war zweimal verschoben worden, bis ihr die Ärzte und die Einwanderungsbehörde endlich grünes Licht gaben.
    »Ich bin wieder vollkommen gesund«, sagte Mama.
    »Natürlich. Ich bin so froh, dass es dir wieder gut geht, kleine Schwester. Aber wir müssen ganz sicher sein, dass du keinen Rückfall bekommst. Auf zwei so lebhafte Jungs wie Nelson und Godfrey aufzupassen ist zu viel für dich. Jungs sind nicht wie Mädchen.«
    »Ich bin mir sicher, dass ich das schaffe«, erwiderte Mama. Sie warf mir einen liebevollen Blick zu. »Ah- Kim war auch ein richtiges Äffchen, als sie klein war.«
    »Das kann ich mir vorstellen. Aber wir wollen auch nicht, dass die Jungs sich etwas einfangen. Sie waren schon immer sehr anfällig für Krankheiten.«
    Ich gab mir Mühe, das »wahre Chinesisch«, wie Mama es mir beibrachte, zu verstehen. Aus dem unbehaglichen Schweigen, das nun folgte, las ich, dass es in Wirklichkeit gar nicht um Krankheiten ging. Aus irgendeinem Grund behagte Tante Paula der Gedanke nicht, dass sich Mama um ihre Kinder kümmerte.
    »Wir sind dir jedenfalls dankbar, dass du uns hergeholt hast«, sagte Mama schließlich und löste damit die Anspannung. »Aber wir dürfen dir nicht zur Last fallen. Ich muss arbeiten.«
    Tante Paulas Körperhaltung entspannte sich, sie schlüpfte in eine neue Rolle. »Ihr seid meine Familie!« Sie lachte. »Dachtet ihr, ich bin nicht in der Lage, für euch zu sorgen?« Sie stand auf, kam zu mir herüber und legte einen Arm um meine Schultern. »Ich habe Himmel und Hölle in Bewegung
gesetzt und dir eine Stelle in der Kleiderfabrik besorgt. Ich habe sogar eine Arbeiterin gefeuert, um Platz für dich zu machen. Siehst du? Deine ältere Schwester kümmert sich um dich. Die Arbeit ist so einfach, als würdest du ein totes Hühnchen auflesen.« Tante Paula meinte damit, dass die Arbeit, die sie für Mama organisiert hatte, das große Los war, vergleichbar mit einem leckeren Gratis-Hühnchen zum Abendessen.
    Mama schluckte, als sie verstand, was Tante Paula von ihr verlangte. »Ich werde mein Bestes geben, große Schwester, aber nichts, was ich nähe, wird jemals gerade. Ich werde üben.«
    Tante Paula lächelte immer noch. »Das weiß ich noch genau!« Ihr Blick schweifte über meine selbst genähte Bluse mit der unregelmäßigen roten Ziernaht. »Früher habe ich immer über die kleinen Kleider gelacht, die du versucht hast zu nähen. Du könntest zehntausend Jahre üben und wärst doch nie schnell genug. Deshalb habe ich dich zum Aufhängen eingeteilt  – du übernimmst die Endbearbeitung der Kleidungsstücke. Dafür sind keine besonderen Fähigkeiten nötig, nur harte Arbeit.«
    Mamas Gesicht war blass und angespannt, aber sie sagte: »Danke, ältere Schwester.«
    Nach diesem Gespräch wirkte Mama in Gedanken versunken und spielte nicht mehr auf ihrer Geige, nicht ein einziges Mal. Ein paar Mal nahm Tante Paula sie ohne mich mit, um ihr die Fabrik und das U-Bahn-Netz zu zeigen. Wenn Mama und ich alleine waren, schauten wir meistens Farbfernsehen, was neu und aufregend für uns war, auch wenn wir nicht verstanden, worum es ging. Einmal aber schlang Mama die Arme um mich und hielt mich eine ganze Folge von I love Lucy lang fest umarmt, so als sei sie diejenige, die Trost bei mir suchte. Ich wünschte mir mehr als je zuvor, dass Papa hier wäre, um uns zu helfen.
    Papa war an einem Schlaganfall gestorben, als ich drei Jahre alt gewesen war, und jetzt hatten wir ihn in Hongkong zurückgelassen. Ich konnte mich nicht mehr an ihn erinnern, aber ich vermisste ihn trotzdem. Er war Direktor der Grundschule gewesen, an der Mama Musik unterrichtet hatte. Obwohl sie ursprünglich wie Tante Paula einen amerikanischen Chinesen hatte heiraten sollen, und obwohl Papa sechzehn Jahre älter war als Mama, hatten sie sich ineinander verliebt und geheiratet.
    Papa, dachte ich eindringlich, Papa. Amerika steckte für mich so voller Sehnsüchte und Ängste, dass mir keine anderen Wörter mehr einfielen. Ich versuchte, seinen Geist mit reiner Willenskraft dazu zu bringen, von Hongkong, wo er begraben lag, quer über den Ozean zu uns zu kommen.
     
    Mama und ich brauchten mehrere Tage, um die Wohnung in Brooklyn zu putzen. Wir versiegelten die Fenster in der Küche mit Mülltüten, damit wir den Elementen nicht ganz so schutzlos ausgesetzt waren, auch wenn es dadurch in der Küche immer

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