Google-Mitarbeiter Nr. 59
unwahrscheinlich heiß. Schon bald begannen wir zu schwitzen und zogen unsere Jacken aus. Auf dem Boden vibrierten 40 Zentimeter große Metallgebläse und kämpften vergeblich gegen die Hitze an, die aus den Gestellen um uns herum strömte. Sie schafften es gerade mal, dass die Temperatur des benachbarten Käfigs von Inktomi nur um ein paar Grad erhöht wurde.
Wir machten uns an die Arbeit. Zuerst befestigte das Betriebsteam mit Klebeband Panduit-Kabelkanäle an den Seiten der Gehäuse. Dann begannen wir vorsichtig damit, die frei hängenden Kabel in die Kanäle zu schieben und sie zusammenzudrehen, sodass sie nicht länger vor den Geräten hingen wie die Ponyfransen eines Harajuku-Mädchens.
Ich nahm das Gestell mit der Bezeichnung »U« in Angriff. Es ist mittlerweile längst im Ruhestand, aber ich mag die Vorstellung, dass die an »U« geleiteten Useranfragen eine Nanosekunde schneller beantwortet werden, weil ich die Kabel so sorgfältig miteinander verbunden habe.
Warum, so fragen Sie sich vielleicht, tat Google Dinge auf diese Weise? Neben der Effizienz, die durch den Betrieb billiger zusätzlicher Server erzielt wurde, nutzte Google ein Schlupfloch bei den Vorschriften der Co-Location. Wie die meisten Rechenzentren so berechnete auch Exodus seinen Mietern die Quadratmeterzahl. Von daher bezahlte Inktomi genauso viel für die Unterbringung von 50 Servern wie Google für 1500 Server. Der Clou an der Sache: Strom, der erstaunlich teuer wird, wenn du genug verbrauchst, um damit ein ganzes Stadtviertel mit Licht zu versorgen, war in der Miete inbegriffen. Als Urs den Mietvertrag mit Exodus neu aushandelte, erklärte Jim ganz genau, wie viel Strom sie brauchten: Nicht die für einen Käfig in dieser Größe üblichen acht 20-Ampere Kreise. Er wollte 56.
»Ihr wollt das nur für den Fall, dass es eine kurzzeitige Spannungsspitze gibt, stimmt’s?«, hatte der Verkäufer von Exodus mit überraschter Miene gefragt. »Für einen Käfig dieser Größe braucht ihr niemals so viel Strom.«
»Doch«, hatte Jim geantwortet. »Ich brauche alle 56, um unsere Maschinen am Laufen zu halten.«
Es kursieren Gerüchte, dass Googles Stromverbrauch die Hochrechnungen von Exodus einmal um das Fünfzigfache überstieg. 11 Es war auch nicht hilfreich, dass Google manchmal alle Geräte auf einmal startete, was rechts und links die Sicherungen rausknallen ließ, bis Google eine Verzögerung von fünf Sekunden einbaute, um nicht das Gebäude abzubrennen.
Klimaanlagen wurden Standard. Auch hierbei kalkulierte Exodus entsprechend einer Angemessenheitskurve. Kein vernünftiges Unternehmen würde 1500 Mikro-Hochöfen in einen einzigen Käfig quetschen, weil das die Installation einer separaten Klimaanlage erforderte. Google tat es. Wir waren ein wartungsintensiver Kunde.
CableFest `99 war das einzige Mal, dass ich ein Google-Rechenzentrum betrat. Es gab mir eine Vorstellung von der Größenordnung dessen, was wir anstrebten und auf welch andersartige Weise wir es taten. Ich kann nicht behaupten, dass es vertrauenerweckend war, meine ungeübten Hände an unsere billigen kleinen Generikaserver zu legen, die offen auf krümeligen Korkbrettern lagen, während eine Tür weiter Inktomis Hohepriester schlanke, topmoderne Geräte hüteten, die aufragten wie eine Weltraumstation. Aber dieses Arrangement schien für uns hervorragend zu funktionieren und ich entschied, mich nicht wegen Dingen zu sorgen, die jenseits meines Horizonts lagen.
Sehr kluge Menschen kümmerten sich um die Überlebensfähigkeit von Googles Backend. Ich würde mich bald mit meiner Eigenen beschäftigen.
Begegnung mit den Marketingfachleuten
»Nachdem sie das erst einmal geschafft hatte«, erklärte Cindy unserem kleinen Marketingteam, »hatte sie die Welt an den Eiern gepackt.«
Ich grinste. Neues Futter für die Zitatesammlung, die ich an die Wand meines Arbeitsplatzes gepinnt hatte. Dort prangte zurzeit noch Cindys letzte Bemerkung: »Das passiert nun mal, wenn es passiert.«
Unsere Abteilung bestand aus einem kleinen Stab, dessen Mitglieder über ein unterschiedliches Niveau an Marketingerfahrung verfügten. Cindy war der Boss und die amtierende Abteilungsleiterin. Sie war etwa in meinem Alter, sehr humorvoll (meistens beabsichtigt) und immer in Eile, was zu einer alarmierenden Anzahl von E-Mails führte, bei denen ihre Finger nicht mit ihren Gedanken Schritt halten konnten. Sie hatte als Zeitungsjournalistin angefangen, war dann bei einem der gefürchtetsten
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