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Google-Mitarbeiter Nr. 59

Google-Mitarbeiter Nr. 59

Titel: Google-Mitarbeiter Nr. 59 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Edwards
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Aushilfen zum Abräumen und Spülen mittags und abends tüchtig ins Schwitzen.
    »Dieser verdammte Herd«, konnte man Charlie murmeln hören. »Dieser verdammte Kühlschrank. Diese verdammte Geschirrspülmaschine.« Der Katechismus wurde fortgesetzt, umfasste die Speisenausgabe, den Grundriss des Raums, die Spülbecken, die Lieferanten und seine geizigen Chefs, Larry und Sergey. Charlie verfluchte die gefühllosen Mitarbeiter – die frisch vom College-Mensaessen kamen –, die mehr nahmen, als sie essen konnten und unangemeldet Gäste mitbrachten und dadurch seine sorgfältigen Menüberechnungen zunichte machten. Und bei all dem kredenzte er ein unbeschreibliches Mahl nach dem anderen.
    Charlie stellte alles selber her mit Ausnahme von Brot – das wurde jeden Morgen in den grauen Behältern vor der Küche abgestellt, auf denen stand: nur für Brot – nicht für Müll. Er wählte seine Zutaten mit einer Vorliebe für biologische Produkte von regionalen Bauern und er schimpfte über industriell verarbeitete Lebensmittel wie den cremigen, gelatinegetränkten Jog­hurt, den ich lieber mochte als den klumpigen Biojoghurt, von dem er behauptete, dass er gesünder sei. Verglichen mit dem Front Page Café bei der Merc mit seinem schlaffen Grüngemüse und dem fettigen gegrillten Käse, beherrschte Charlie ein gastronomisches Nirvana.
    Er quälte uns jeden Morgen mit einer E-Mail, die seine Pläne für das Verzücken unserer Geschmacksknospen umriss, eine E-Mail, die jeden Tag ein neues Menü beinhaltete, eines wie das folgende:
    Suppen: Spargelcreme, pikante Pilzsuppe und Linsensuppe
    Salate: Thai-Nudeln, Kartoffelsalat, Möhren-Dill-Salat, grüne Biosalate
    Hauptgerichte: gebratene Truthahnbrust mit Miso Truthahn Jus und Maisbrotfüllung, geschmorter Tofu & Aubergine an Naturreis 34
    Beilagen: kandierte Süßkartoffeln, grüne Bohnen
    Desserts: Apfelkuchen, Blaubeertarte, Kirschkuchen, cremiger Reispudding
    Nachdem das Marketing nach unten in das Großraumbüro gegenüber dem Café umgezogen war, konnte ich sehen, wie sich kurz vor 12 Uhr eine Schlange an der Essensausgabe bildete. Ich ließ immer sofort alles stehen und liegen, um möglichst weit vorn an der Front zu sein. 34 *
    »Wartet auf die Klingel!«, fauchte Charlie uns an, wenn wir zu weit ins Café hineindrängten, bevor er mit allem fertig war. Wenn es in der Küche nicht planmäßig lief, war es gefährlich, zu nah heranzugehen.
    »Vorsicht. Heiße Suppe!«, pflegte er zu brüllen, hielt die riesige dampfende Schüssel hoch und schob jeden beiseite, der seinen Eingang blockierte. Charlie flitzte herum, das Schälmesser in der Hand, schnitt und würfelte wie verrückt letzte Garnierungen und füllte die Brotkörbchen. Sein Temperament loderte wie die Gasflammen unter einer fettigen Bratpfanne. Erst wenn alles an seinem Platz war, betätigte er die kleine Hotel-Rezeptionsklingel auf der Theke, um kundzutun, dass man nun gefahrlos anfangen durfte. Die Schlange schob sich an der Theke vorbei, nahm von den Salaten und ein Hauptgericht, bevor sie dann zu den Desserts und dem Getränkekühler schlenderte. Aber es war trotzdem besser, Charlies Wut zu riskieren, als eine Lieblingsvorspeise oder eine besondere Schokoladencreme zu verpassen, die nur in begrenzter Zahl aufgeschlagen worden war. Ops – stets die Leistung optimierend – installierte eine Webcam über der Tür für eine Live-Übertragung der Küchensituation, der Länge der Warteschlange und des Grads von Charlies Gehetztheit.
    Die knapp zwei Meter langen Tische, an denen wir saßen, stammten geradewegs aus einem Büromöbelgeschäft und waren umgeben von billigen Metallstühlen, wie man sie als Ersatzstühle bei überfüllten Gottesdiensten oder Beerdigungen hineinträgt. Die ungeschriebenen Benimmregeln besagten, dass du dich auf den nächsten freien Platz neben einem Techniker, Vertriebs- oder Dienstleistungsmitarbeiter, der sich als Letzter gesetzt hat, setzt und mit ihm oder ihr ein Gespräch anfängst. Die Dialoge waren manchmal gewürzt mit Chinesisch oder Deutsch oder der genauso unverständlichen abkürzungsverzierten Computerfreak-Sprache. Ich schwelgte in Kritiken über Neuerungen unserer Wettbewerber und detaillierten Beschreibungen der esoterischen Elemente von GWS, begleitet von Diagrammen, die auf Papierservietten gezeichnet wurden. Ich stellte naive Fragen und bekam komplexe Antworten über unsere Technologie und unsere Branche, ein Prozess, der Bestandteil von Larrys und Sergeys Kalkül

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