Google-Mitarbeiter Nr. 59
schwarzen Kunstledercouch zu ergattern. Andernfalls müsste ich meinen Laptop auf den Knien balancieren, während ich auf einem dieser knapp einen Meter großen Hüpfbälle saß. Ein großes Metallgehäuse – der Prototyp von Larrys Buchscanner-Projekt – hielt eine Kamera und eine Reihe von Scheinwerfern schien hinunter auf den Beistelltisch vor mir. Karen White, Marissa Mayer sowie Jen McGrath aus dem Frontend-Team und Craig Silverstein machten sich daran zu schaffen und schlossen Kabel an einen Projektor an, sodass wir Modelle an die Bürowand projizieren konnten.
Sergey lehnte sich uns gegenüber in seinem Bürosessel zurück, las und aß ein Sandwich. Es war schwer zu sagen, ob er aufpasste.
Marissa legte die Tagesordnung fest, bestimmte, über welche Produkte gesprochen wurde und wer bei dem Meeting dabei sein und für oder gegen vorgeschlagene Veränderungen argumentieren sollte. Marissa war 24, eine schlanke, blonde Frau aus Wisconsin. Sie war sehr erfahren in UI-Themen und traf nie auf ein Problem, das sie nicht lösen wollte – und zwar auf der Stelle. Ihr Verstand arbeitete so schnell, dass ihr Zwischenspeicher überlief und sämtlichen verfügbaren Sprechplatz mit einem Wortschwall füllte. Sie lud herunter, was sie dachte, unterstrich es mit einem elliptischen Lachen und sprach dann präventiv alle Gegenargumente oder abweichenden Perspektiven an, die denkbar waren. Ich brauchte eine Weile, bis ich mich daran gewöhnt hatte, obwohl ich mit New Yorkern gelebt hatte.
Marissa nahm ihre Rolle als Product-Review-Torwächter so ernst wie ein Botschaftswachmann in einem fremden Land. Sie trug ihre Vorstellungen, wie man Google am besten zu mehr Wachstum verhalf, leidenschaftlich vor, während sie das innere Heiligtum vor feindseligen Ideen schützte. Im Laufe der folgenden Monate, als sie anfing, einen größeren Schatten sowohl auf den Produktentwicklungsprozess wie auch auf Larrys Privatleben zu werfen, würde sie die Wirkung, die andere auf den Produktleiter hatten, herunterschrauben. Es war uns natürlich freigestellt, außerhalb der Product Reviews mit Larry zu sprechen, aber da dieses Meeting nun zu dem Ort geworden war, an dem die Entscheidungen offiziell gefällt wurden, konnten diese Gespräche leicht als überflüssig und Verschwendung von Larrys Zeit angesehen werden.
Und niemand wollte Larrys Zeit verschwenden.
Larry selbst blieb bescheiden, was seine neue Rolle anging. Er saß am anderen Ende des vollgepackten Büros hinter seinem Schreibtisch und blickte von seiner Anordnung von Monitoren auf, wenn wir etwas präsentierten, das ihn interessierte. »Wie geht Yahoo damit um?«, fragte er zum Beispiel und schickte uns auf eine Besichtigungstour durchs Web, um herauszufinden, ob jemand anders unser spezielles Problem bereits gelöst hatte. Wenn wir konkurrierende Ansichten präsentierten, verlangte Larry die Daten für die jeweiligen Seiten und fällte dann sein salomonisches Urteil.
Und wenn Larry fertig war, dann war er fertig. »Ich will nicht länger darüber reden. Es ist der Diskussion nicht wert. Tu es einfach.«
Larry (und auch Sergey) beendete Diskussionen abrupt, wenn er sah, dass Zeit für etwas verschwendet wurde, das bereits entschieden war. Er hasste das Wiederkäuen von Argumenten und Leute auf den neuesten Stand zu bringen, die für das Projekt gar nicht relevant waren. Am wenigsten konnte er es ertragen, das Offensichtliche erklären zu müssen. Manchmal genügte ein Blick. Projektmanagerin Deb Kelly schlug eine neue Methode vor, Inhalte online zu stellen, und besprach es kurz mit Larry. »Er machte diese Augenbrauensache«, erinnerte sie sich später und zog eine Braue hoch, so wie Spock. »Er nannte mir nicht einmal einen Grund. Er war nur grundsätzlich – dagegen. Es war klar, dass es eine dumme Idee war.«
Es dauerte nicht lange, bis ich meinen ersten Zusammenstoß mit Larrys Debatten killender Entschiedenheit hatte. Larry wollte den »Cache Link« 36 auf unseren Ergebnisseiten umbenennen in »Show matches«. Das Anklicken des Links würde die User immer noch zu einer Cache-Version der Seite führen, aber jetzt würde es Wörter auf dieser Seite hervorheben, die zur Anfrage des Users passten. Ich fand die Namensänderung verwirrend und war sicher, dass es unseren Usern genauso gehen würde. Es war eine Frage der sprachlichen Formulierung.
Das war meine Domäne. Ich äußerte meine Einwände auf dem UI-Meeting und gewann die Zustimmung, dass wir die Veränderung nicht
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