GOR-Zyklus 23 - Die Verräter von Gor
Bedauern und Schmerz. Aus irgendeinem Grund hatten die Fragen des Henkers eine tiefe Bedeutung für sie.
Er wandte sich ihr zu. »Keine Angst, kleine Vulo«, sagte er und tätschelte ihr den Kopf. »Bald ist alles vorbei.« Er überhörte ihr Aufschluchzen, bückte sich und löste die Fesseln um ihre Fußknöchel.
»Denk an das cosische Gold«, sagte er.
Sie erschauderte.
»Dann wollen wir deinen cosischen Freunden mal zeigen, wie hübsch du auf dem Pfahl aussiehst.«
Publia schüttelte wie betäubt den Kopf. Der Henker beugte sich tief hinunter, um sie sich auf die Schulter zu laden. Plötzlich verharrte er. Er hatte die Soldaten entdeckt, die mit Stroh bedeckt in der Zellenecke lagen. Ich eilte auf ihn zu.
In diesem Augenblick explodierte die Welt. Ich fuhr herum und riß die Arme vor den Kopf; es donnerte, und die Zelle füllte sich mit zerberstenden Ziegelsteinen. Lady Claudia schrie entsetzt auf, und ich konnte nichts sehen oder gar Luft holen, denn die Luft bestand nur aus Staub, aus dichtem weißen Staub, und wir husteten, und mir brannten die Augen. Überall waren Trümmer; grelles Licht flutete in die Zelle, denn fast die halbe Wand war verschwunden. Der Henker kauerte am Boden, einige der großen Steinfliesen hatten sich gelöst und wölbten sich in die Höhe. Er schien verwirrt und halb betäubt zu sein. Er drehte sich um, zeigte auf die Wand, um mich auf seine Entdeckung hinzuweisen, allem Anschein nach nicht einmal mißtrauisch, und sackte zusammen, als ich ihn mit dem Stein traf, den ich vom Boden aufgehoben hatte. Lady Claudia krümmte sich zitternd zusammen, den Kopf mit den Händen schützend. Lady Publia lag reglos zwischen den aufgerichteten und zerborstenen Fliesen. Beide waren staubbedeckt.
Ich stolperte über die Trümmer bis zu dem großen Loch in der Wand.
Vor mir breitete sich die geballte Streitmacht von Cos im Norden aus, in der hellen Morgensonne funkelten Speerspitzen und Schilde und die Flaggen von Kompanien und Regimentern, während am strahlendblauen Himmel Tarnsmänner flogen. Die enggeschlossenen Reihen erstreckten sich bis zu den letzten noch stehenden Gebäuden und drängten sich in den weit entfernt liegenden Straßen, doch in der Hauptsache standen sie auf einer künstlichen, dreihundert Meter langen Ebene versammelt, die man aus den geschleiften Ruinen der niedergebrannten Gebäude geschaffen hatte, deren Trümmer dazu benutzt worden waren, die Keller und Erdgeschosse auszufüllen.
Ich winkte Lady Claudia heran, damit wir uns die Pracht des Krieges zusammen ansehen konnten.
»Siehst du das, kannst du verstehen, warum Männer so etwas lieben können?«
Sie stöhnte auf. »Es macht mir angst!«
»Sieh sie an, die Soldaten, ihre Pracht, ihre Macht!«
»Nein«, schluchzte sie, und der Wind drückte den Schleier gegen ihre Lippen.
»Ein großartiger Anblick!« rief ich.
Sie schüttelte nur verängstigt den Kopf. Hätte ich sie nicht beim Arm gegriffen, wäre sie vermutlich ohnmächtig zusammengesunken.
Fanfaren ertönten aus allen Richtungen.
»Die Männer bewegen sich«, flüsterte Claudia.
»Das ist der Angriff.«
»Sie schweigen!« Bis jetzt war den Fanfaren stets gewaltiger Jubel gefolgt.
»Sie haben genug gebrüllt«, sagte ich. »Jetzt kommen sie, um die Sache zu Ende zu bringen.«
Mit leichten Waffen ausgestattete Regimenter eilten nach vorn, die Bogenschützen, Schleuderer und Speerwerfer sollten die Verteidiger von den Zinnen fernhalten. Unter ihrem Schutz folgten die Leiterbrigaden und die Wurfhakenmänner, dahinter kamen die Kletterer zusammengeduckt unter den Schilddächern der Infanteristen heran.
»Die Mauer wird an mehreren Stellen angegriffen«, erklärte ich, »damit sich die Verteidiger verteilen.«
Plötzlich stöhnte Claudia entsetzt auf.
»Was ist?«
»Ich glaubte, ich hätte ein Haus gesehen, das sich bewegt«, sagte sie. »Dort hinten, bei den anderen Häusern.«
»Wo?«
»Es spielt keine Rolle, es war nur eine Illusion, eine Luftspiegelung, Hitze, die von den Steinen aufsteigt.«
»Wo?« wiederholte ich meine Frage.
Sie zeigte in die Richtung, dann stöhnte sie erneut auf.
»Es ist keine Illusion. Es bewegt sich. Da ist noch eins, und dort hinten.«
»Häuser können sich nicht bewegen!« sagte sie.
»Ich zähle elf Stück«, sagte ich. »Sie können auf verschiedene Weise bewegt werden; manche von innen heraus. Dort stemmen sich Männer gegen Balken, oder Tharlarion ziehen sie, die hinter solchen Balken angeschirrt sind. Andere
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