Gorian 1: Das Vermächtnis der Klingen
einem dumpfen Gemurmel glichen.
Daraufhin zeigten sich auch im Gemäuer des Tempels und ebenso in den Säulen Risse, allerdings konnten diese Beschädigungen die Tempelruine nicht zum Einsturz bringen. Gorian stellte sogar fest, dass sich die wie Wasserläufe in einem Delta verzweigenden kleinen Spalten sogar zum Teil wieder zurückbildeten. Das bläuliche Leuchten, das dabei hier und dort aufblitzte, verriet, dass Magie im Spiel war.
Schwarzes Blut quoll aus der leeren Augenhöhle des Frostgottes. Die Wunde schien kaum verschorft, geschweige denn auch nur ansatzweise verheilt zu sein, dazu reichten Frogyrrs Kräfte derzeit einfach nicht aus. Mit Sicherheit lag dies auch daran, dass ihm das Auge durch eine Klinge aus Sternenmetall genommen worden war.
Der bärengestaltige Eisgott stieß nun einen Laut aus, der Gorian an die Kraftschreie der Meister des Ordens erinnerte, und ein bläulicher Blitz knisterte durch die Luft und verzweigte sich dutzend- und dann hundertfach, sodass für wenige Augenblicke ein Netz aus leuchtenden, sich verzweigenden Lichtspuren entstand.
Dann war es vorbei, das Leuchten verschwand, und Frogyrr musste sich plötzlich auf seinen Elfenbeinstab stützen. In den Augen des Orxanier-Schädels an dessen Ende glühte es zuerst rötlich und dann bläulich.
Der Frostgott war zweifellos durch seinen Angriff sehr geschwächt – aber das magische Feld, das den Tempel schützte, ebenfalls, denn nun brachen die Frostkrieger aus dem Unterholz und drangen mehrere Dutzend Schritt auf die Lichtung vor, ohne dass sie aufgehalten worden wären.
Auf einmal aber prallten sie erneut gegen eine unsichtbare Grenze, hämmerten in sinnloser Wut mit ihren Waffen darauf ein. Sie rückten von allen Seiten heran. Der Kreis um den Tempel war enger geworden, die Wirkung des Zaubers, der diesen Ort schützte, offensichtlich schwächer.
»Noch ein oder zwei solcher Angriffe, und sie haben uns«, knurrte Beliak.
»Ich nehme an, dass sich Frogyrr erst einmal erholen muss, bevor er so etwas noch einmal wagen kann«, vermutete Gorian. Er deutete auf die sich mehr und mehr zurückbildenden Risse in der Treppe und im Mauerwerk. Man konnte zusehen, wie sich der Stein allmählich wieder schloss. »Die Magie des Tempels ist nicht so leicht zu bezwingen, wie sich dieses Bärenmonstrum das vielleicht vorgestellt hat.«
Wie auf einen geheimen Befehl hin stürzten auf einmal die Krähenvögel vom Himmel und ließen sich auf den Bäumen am Waldrand nieder. So mancher Ast ächzte unter ihrer Last.
Gorian hatte sich geirrt: Frogyrr startete bereits den zweiten magischen Angriff auf den Schutzschirm, berührte erneut mit dem Orxanier-Schädel die unsichtbare Wand, und wieder breitete sich ein Geflecht aus Blitzen aus. Das tiefe Dröhnen, das aus seinem weit aufgerissenen Maul drang, ließ die gerade geschlossenen Risse im Mauerwerk wieder aufspringen.
Die Frostkrieger drangen lärmend noch etwas weiter vor. Sie schienen wohl anzunehmen, dass die unsichtbare Wand, die sie davon abhielt, einfach weiterzustürmen, innerhalb der nächsten Augenblicke völlig zusammenbrechen würde. Aber dem war nicht so. Der zweite magische Angriff des Frostgottes war wesentlich schwächer als der erste. Das bisschen Gelände, das seine Frostkrieger dadurch gewannen, nützte ihnen im Grunde nichts. Demgegenüber stand aber ein offenbar erheblicher Kräfteverlust des achtbeinigen Eisbären.
Er taumelte ein paar Schritte zurück, und sein tiefes Brummen hatte längst nicht mehr die zerstörerische Kraft wie zuvor. Teilweise begannen bereits das Eis und der Schnee von den Bäumen zu tauen. Frogyrr öffnete wieder das Maul und sandte einen für seine Verhältnisse sehr schwachen Eishauch aus, dessen Kälte Gorian und Beliak dennoch spürten. Frogyrr wandte den Kopf, während der kalte Hauch aus seinem Maul fauchte, damit sich dieser gut verteilte, aber Gorian entging nicht, dass sich beim Waldrand einzelne Wasserpfützen gebildet hatten, wo der Boden trotz Frogyrrs Bemühungen nicht mehr richtig gefror.
Dennoch – die Lage blieb bedrohlich.
Beliak sprach Gorian nicht noch einmal darauf an, ob er vielleicht nicht doch noch die Hilfe des Gargoyle in Anspruch nehmen wollte. Aber in den Gesichtszügen des Adh stand diese Frage überdeutlich.
Eine innere Unruhe erfasste Gorian. Auf einmal umrundete er mit schnellen Schritten den Tempel, sodass er schließlich dessen Rückseite erreichte, wo der Brotbaum stand, an dessen Wurzeln sich Ar-Dons Grab
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