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Gorian 2

Gorian 2

Titel: Gorian 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bekker
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gab nicht genug Burgwachen, ihn fortzuräumen. Die Leuchtfeuer, die eigentlich in der Nacht die Fledermenschen vertreiben sollten, waren verloschen, denn Hauben aus Schnee und Eis bedeckten auch die Spitzen der schmalen Türme, die zuvor riesigen Fackeln geähnelt hatten. Überall hingen Eiszapfen von den Dachkanten der Gebäude, die verglasten
Fenster waren mit Eisblumen überzogen, und eine Schicht aus Raureif hatte sich über die dicken Mauern gelegt.
    Schnee und Eis bedeckten auch das Land Richtung Nordosten bis zum Horizont hin, nur hier und dort ragte noch ein schwarzes Stück Fels daraus hervor. Westlich von Felsenburg reichte das verschneite und vereiste Gebiet jedoch kaum eine halbe Meile weit. Das eisige Weißgrau endete abrupt an einer unsichtbaren Grenze, so als wäre dort Morygors Macht jäh auf einen Einhalt gebietenden Einfluss gestoßen. Gleiches galt für das Geflecht rot leuchtender Adern, das die Berge durchzog und sich von dort aus bereits ein Stück in die schwarze Steinebene zwischen Felsenburg und dem mittelgryphländischen Bergrücken fortgesetzt hatte, dann aber ebenso jäh endete.
    Zwischen dem grauweißen Frost und dem rot glühenden Geflecht flammender Erdadern befand sich ein Niemandsland von mindestens zweihundert Schritten. Felsenburg gehörte dieser offenkundig gewordenen Grenzziehung nach zu dem Bereich, den die Mächte des Frostreichs für sich beanspruchten.
    Auch der Himmel teilte sich genau über dem Niemandsland zwischen Feuer und Eis: Über den Bergen war er klar und hell, der kalte Dunst des Frostreichs hatte sich von dort verzogen, und die sich am Tag zuvor noch auftürmenden Schneewolken hatten sich aufgelöst. Die Sonne stand über den Bergen, wurde jedoch vom Schattenbringer inzwischen weit über die Hälfte verdeckt.
    »Als ob sich der Kampf zwischen Feuer und Eis im Himmel spiegelt«, empfing Gorian einen Gedanken Sheeras.
    »Und wir werden zwischen den Fronten zermalmt«, befürchtete er.
    »Und wenn die Feuerdämonen dem Frostreich Einhalt gebieten?
Zumindest für eine Weile? Die Fledermenschen waren der Ansicht, dass dies möglich ist.«
    »Man müsste ihre Magie lenken können und zielgerichteter wirken lassen«, ging es Gorian durch den Sinn, wobei er Sheera ganz bewusst an diesem Gedanken teilhaben ließ, der ihn schon zuvor beschäftigt hatte, ohne dass er sich bislang mit jemandem darüber ausgetauscht hatte.
    » Niemand kann diese Mächte beherrschen, Gorian. Nicht einmal ein Magiemeister.«
    »Song Mol konnte es. Mithilfe der Caladran-Magie. Doch ich nehme an, dass der Namenlose Renegat diese Magie damals anwandte, nicht Song Mol selbst, wie es in der Legende heißt.«
    »Unglücklicherweise will der Namenlose aber nicht mehr mit uns sprechen.«
    In diesem Moment ertönte im Burghof ein Hörnerchor. Oras Ban war mit seinem Gefolge ins Freie getreten. Der Königliche Verwalter hatte Harnisch und Waffen angelegt und trug einen Helm mit prachtvollem Federbusch. Sein Gang war von jugendlicher Leichtigkeit und stand im krassen Gegensatz zu seinem uralten faltigen Gesicht.
    »Hört mich an!«, rief er, und seine Stimme hallte im Innenhof der Burg auf eine Weise wider, wie man es ansonsten nur von den legendären Theater-Arenen von Rea erzählte, in denen angeblich selbst das Rascheln eines Gewandes noch auf den letzten Zuschauerrängen zu hören war. »Weder die Feuerdämonen noch das Frostreich können uns etwas anhaben. Die Katapulte sind geladen, die Schleudern bereit – und die Magie Song Mols wird Felsenburg schützen!« Er zog sein Schwert und richtete die Spitze in den Himmel. »Trank und Leben für jeden, der seinen Posten nicht verlässt!«
    Von den Wehrgängen antworteten ihm begeisterte Rufe.
    »Oras Ban teilt ihnen offenbar die lebensverlängernden
Caladran-Tränke zu«, stellte Sheera angewidert fest. »Darauf gründet seine Macht.«
    »Tja, nicht gerade jemand mit den besten Charakterzügen, mit dem wir da verbündet sind«, spottete Torbas. »Aber wohin sollten die Wachen schon fliehen, wenn sie ihre Posten verlassen.«
    »Es zeigt, wie unsicher er sich seiner Sache ist«, murmelte Meister Thondaril.
    Oras Ban ließ sich von einem seiner Gefolgsleute einen Becher mit dem blau schimmernden Gebräu reichen und trank ihn in einem Zug leer. Daraufhin straffte sich die Haut seines Gesichts, und seine Augen leuchteten auf eigentümliche Weise.
    Auf einmal tauchte aus den Pflastersteinen, die den Burginnenhof bedeckten, eine Gestalt hervor, durchdrang das

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