Gorian 2
seinem Reiter war nichts mehr zu sehen, aber es war ausgeschlossen, dass er noch lebte.
Der Kopf des Feuerdämons veränderte sich, formte ein Maul, so groß wie ein Haus, wofür er den Rest seines Flammenkörpers
weiter schrumpfen ließ. Ein Flammenstrahl schoss aus dem Maul hervor und verbrannte alles, was noch von der Gondel geblieben war und auch den Greifen zu Asche.
Dann erst schrumpfte der Feuerdämon vollständig zusammen, wobei er in mehrere kleinere Flammenkörper zerfiel, die unterschiedlich schnell verloschen.
»So viel zu Euren Plänen, Felsenburg verlassen zu wollen, Centros Bal«, sagte Torbas. Gorian kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass sein beißender Spott in diesem Fall nur dazu diente, seinen eigenen Schrecken zu verbergen.
In der Nacht kratzte es an der Tür der kleinen Kammer, die man Gorian und Torbas zugewiesen hatte.
Die beiden Ordensschüler erwachten, und Gorian rief: »Wer ist dort?«
Zur Antwort erhielt er ein Fauchen und einen Gedanken.
»Erkennst du mich nicht mehr?«
Gorian schlug die Decke zur Seite, stieg von der Pritsche und ging zur Tür, die er mit seinem Handlicht beleuchtete. Dann schob er den Riegel zur Seite und öffnete sie.
Draußen im Korridor kauerte Ar-Don, dessen steinerner Körper grünlich leuchtete.
»Offenbar zieht er deine Gesellschaft einer Nacht in der Greifenhöhle vor«, lautete Torbas’ Kommentar, der ebenfalls aufgestanden war und Gorian über die Schulter blickte. »Kann ich zwar durchaus verstehen, dennoch hoffe ich, dass du nicht ernsthaft daran denkst, dieses Biest bei uns übernachten zu lassen.«
Gorian aber tat, als hätte er seinen Kameraden nicht mal gehört, und sagte zu dem Gargoyle: »Komm rein.«
Ar-Don huschte an Gorians Beinen vorbei in das enge Quartier, das sich die beiden Ordensschüler teilten. Er kauerte sich unter den einfachen Holztisch und verharrte dort vollkommen regungslos, so als hätte er sich endgültig in eine starre Steinskulptur verwandelt.
Am nächsten Morgen, als Gorian erwachte, war das rätselhafte Wesen fort, obwohl die Tür noch immer von innen verriegelt war. Da Ar-Don seine Körperform nahezu beliebig verändern konnte, nahm Gorian an, dass er durch den schmalen Spalt zwischen Tür und Boden nach draußen geschlüpft war. Vielleicht war seine Magie aber auch viel stärker, als Gorian es bisher für möglich gehalten hatte. Auf seinen fragenden Gedanken hin bekam er jedenfalls keine Antwort.
Gorian weckte Torbas, und beide zogen sie alles an Kleidung an, was sie in ihrem Gepäck vorfanden, denn eine unmenschliche Kälte war in jeden Winkel von Felsenburg gekrochen.
»Spürst du es?«, fragte Torbas, als Gorian seine Waffen anlegte.
»Ja, es ist kalt.«
»Ich meine nicht den Temperatursturz, sondern Morygors Aura. Das Frostreich nähert sich.«
Gorian hatte nicht darauf geachtet, denn seine Gedanken hatten sich um Ar-Dons Verbleib gedreht. Doch als er sich nun darauf konzentrierte, spürte auch er es.
»Seit den Tagen, da wir zum Speerstein von Orxanor aufbrachen, ist nichts mehr, wie es war«, sagte Torbas unvermittelt. Gorian wunderte sich, dass er ausgerechnet in diesem Moment darauf zu sprechen kam. Vielleicht lag es daran, dass sie beide wieder Morygors verderbliche Aura spürten, wenn auch längst nicht so stark wie damals auf
ihrem Weg zum Speerstein. »Ich habe das noch niemandem gesagt, aber …« Torbas brach ab.
»Was hat du noch niemandem gesagt?«, hakte Gorian nach.
»Dass es mir so vorkommt, als wäre die Aura Morygors seitdem die ganze Zeit über um uns. Es hat keinen Tag gegeben, an dem ich sie nicht ganz leicht im Hintergrund gespürt habe. Außerdem habe ich das Gefühl, dass wir uns seit unserem Weg zum Speerstein alle verändert haben.«
»Morygor stellt uns auf die Probe«, sagte Gorian. »Er tut alles, was in seiner Macht steht, um unsere Seelen zu beherrschen, vergiss das nicht«
»Nein, das vergesse ich nicht«, murmelte Torbas. »Wie könnte ich das auch? Schließlich hat sich selbst der Hochmeister unseres Ordens als zu schwach erwiesen und sich dem Einfluss des Bösen ergeben.«
»Uns wird das nicht passieren«, war Gorian überzeugt.
»Bist du dir sicher?«
»Du nicht?«
»Inzwischen glaube ich, dass alles geschehen kann, Gorian. Wirklich alles.«
In diesem Augenblick waren die Hörner der Wachen zu hören. Sie bliesen Alarm.
Wenig später standen Gorian, Torbas, Sheera und Thondaril an einer der Brustwehren. Im Burghof lag knietiefer Schnee, und es
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