Gorian 3
die verzerrten Züge seiner Ordensbrüder und -schwestern sah, die regungslos dalagen, dahingestreckt von den mordgierigen wandlerischen Kreaturen, die Morygor ausgesandt hatte.
»Wie ist es möglich, dass wir den Feind nicht erkannt haben?«, hallte Magier Yvaans zitternde Stimme in dem feuchtkühlen Gewölbe wider. »Wie ist das nur möglich? Kann Morygor seine Schergen inzwischen dermaßen gut tarnen, dass wir sie für unseresgleichen halten, auch wenn sie direkt vor uns stehen und ihre Gedankenleere eigentlich spüren müssten?«
»Die Wandler sind keine Untoten«, erinnerte Gorian. »Auch wenn jene Welt, aus der Morygor sie in die unsere geholt hat, vielleicht einer Totenhölle gleicht.«
»Es wird nicht der letzte Rückschlag bleiben«, meldete sich Meister Thondaril zu Wort.
»Eure Wahl zum Hochmeister war jedenfalls rechtsgültig«, erklärte Yvaan. »Und das bedeutet, dass der Orden wieder eine Form hat und bereit zum Kampf sein wird, wenn in der
oquitonischen Tiefebene die Schlacht beginnt und wir unsere Magie mit der unserer Feinde messen.«
Doch dieser neue Orden, so wurde es Gorian in diesen Momenten bewusst, würde offenbar nicht weniger von Verrätern durchsetzt sein als der alte. Es gab in Wahrheit keinen Neuanfang, sondern nur eine Wiederholung des alten Elends.
Dann fiel der Schein seines Handlichts auf das Gesicht einer toten Heilerin, die in verrenkter Haltung erschlagen zwischen den anderen Toten lag. Es handelte sich bei ihr nicht um eine Wandlerin, denn dann hätte sich ihre äußere Form in jenes Geschöpf zurückverwandelt, das sie in Wirklichkeit war.
»Hebestis ...«, murmelte Gorian.
Hatte er sie nicht vor kurzem noch durch Sheeras Augen gesehen, als diese den Raum betrat, in dem ihre Prüfungen stattfinden sollten?
Möglich, dass die Prüfungen bereits vorbei waren und Hebestis später zur Versammlung der Meister hinzugekommen war. Aber ein Gefühl sagte Gorian, dass es sich anders verhielt.
Er sandte einen starken Gedanken an alle überlebenden Meister innerhalb des Gewölbes. Da die magische Abschirmung aufgehoben war, konnte er das gefahrlos tun. »Wann ist die Meisterin Hebestis zu dieser Versammlung gekommen? Und wer war bei ihr?«
»Sie kam, noch während Morgun seine Eröffnungsworte sprach«, antwortete ihm die Seherin Aawaa. »Ich bin mir sicher, denn Hebestis’ Heilaura lindert mein unruhiges Augenflimmern, unter dem ich seit langem leide. Doch selbst hier, in diesem magisch abgedämpften Gewölbe, war Hebestis’ Heilaura so wirksam, dass ich sofort Linderung erfuhr, als Hebestis erschien.«
Gorian legte die Hand um den Griff von Sternenklinge. Er hatte auf einmal das Gefühl, sehr schnell handeln zu müssen.
Seine Augen wurden schwarz. Er konzentrierte alles, was er an Alter Kraft aufbringen konnte, und stieß einen Kraftschrei aus, dem er eine schnelle Bewegung folgen ließ.
Mehrere Handlichter der anderen Meister richteten sich auf ihn, leuchteten jedoch nur noch in einen schwarzen Rauchwirbel hinein.
Gorian nahm den Schattenpfad. Wie aus weiter Ferne hörte er noch Meister Shabran, der warnend seinen Namen rief.
Das Nächste, was Gorian fühlte, war ein heftiger Schlag. Eine magische Kraft wirkte auf ihn ein.
Er sah vor sich die Tür zu dem Raum, in dem Sheera ihre Prüfungen hatte ablegen sollen, und im gleichen Moment wurde ihm bewusst, welchen Fehler er begangen hatte.
Ein Schattenpfadgang in einen Raum, der auf unbekannte Weise magisch abgeschirmt war … Verdammt, er hätte daran denken müssen!
Er wurde von der Tür fortgeschleudert, und sein Körper drang durch die Wand des Korridors, als würde sie nicht existieren. Ein schwarzer Rauchwirbel umgab ihn, alles drehte sich, und er hatte das Gefühl, ins Bodenlose zu stürzen. Er sah nur noch Schlieren und immer größer werdende schwarze Flecken, die sich aus zusammenklumpenden Teilchen des Rauchwirbels bildeten, und gleichzeitig wurde es so kalt, dass es ihn an die Seelenkälte erinnerte, die Morygor zu verbreiten wusste.
Bald war er umfangen von abgrundtiefer Schwärze. Seine magischen Sinne waren wie betäubt, so vermochte er diese Dunkelheit auch mit ihrer Hilfe nicht zu durchdringen.
Der Boden aber, auf dem er stand, war schneeweiß, doch von regelmäßigen schwarzen Linien durchzogen, die Quadrate bildeten. Sie schienen sich nach allen Seiten ins Unendliche zu erstrecken. Die Helligkeit des Untergrunds leuchtete nicht in den dunklen Bereich hinein, in dem überhaupt nichts zu erkennen
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