Gorian 3
Morygors Aura schwächer geworden war. Die Kräfte des dreifachen Ordensmeisters kehrten mehr und mehr zurück.
»Absteigen« , wandte sich Ar-Don mit einem ziemlich unmissverständlichen Gedanken an seinen Reiter.
»Was soll das denn?«
»Es gibt anderes zu tun – für mich! Du musst zurückkehren.«
»Moment mal …«
»Hast du gesehen? Hast du gespürt? Viel Wissen kannst du mitnehmen. Aber es ist noch nicht genug, um den entscheidenden Schlag zu führen und die Rückkehr zu ermöglichen.«
»Was für eine Rückkehr? Was sind das für seltsame Gedanken, mit denen du mich da überschwemmst? Für deine Hilfe bin ich dir dankbar, aber Gedankenchaos habe ich genug.«
»Es ist die Rückkehr zu dem, wie es sein sollte. Wir werden uns im entscheidenden Moment wiedersehen.«
Fast die Hälfte der zusätzlichen Körpersubstanz, die er durch die Verschmelzung mit dem Dreizahnigen gewonnen hatte, hatte der Gargoyle während des Kampfes gegen Thragnyr verloren. Nun entledigte er sich auch nahezu des ganzen Restes. Nur ein kleiner Bruchteil blieb. Der graue Stein zerfiel einfach zu Staub, der überall von dem Gargoyle abrieselte, und innerhalb weniger Herzschläge modellierte er seinen Körper mehrfach völlig neu. Am Ende hatte er wieder seine ursprüngliche Größe, die in etwa der einer Katze entsprach. Er nahm eine eisblaue Färbung an und begann aus seinem Inneren heraus zu leuchten.
»Wünsch mir Glück!«, verlangten die Gedanken des Gargoyles in einem Anflug von eigenartiger Vertrautheit. »Denn es wird auch dein Glück sein.«
Ar-Don erhob sich mit kräftigen Schlägen seiner Schwingen in die Höhe, die noch etwas größer und weitflächiger wurden, während dafür der Körper noch ein wenig schrumpfte. Dann glitt er durch die Luft. Gorian verfolgte ihn noch eine Weile mit seinem Blick. Aber schon sehr bald war der Gargoyle nicht mehr zu sehen.
Gorian versuchte einen kleineren Schattenpfadgang. Morygors Aura war zwar immer noch deutlich zu spüren, aber Gorian war offenbar weit genug vom Zentrum seiner Macht entfernt, um nicht mehr davon beeinträchtigt zu werden.
Mehrere Schattenpfadgänge von mittlerer Länge folgten. Einmal konnte Gorian von einer Anhöhe aus einen endlosen Zug Leviathane beobachten, die nach Süden zogen und Morygors Truppen transportierten.
Jenseits des Horizonts schoss erneut ein Strahl zum Schattenbringer.
Nicht mehr lange, und Morygor hatte ihn so positioniert, dass er die Sonne völlig verdeckte.
Schließlich legte Gorian den Rest der Strecke mit einem einzigen Schattenpfadgang zurück. Er verstofflichte geradewegs im oberen Saal des Palas der Siebten Burg, wo Hochmeister Thondaril residierte.
Der Hochmeister blickte auf, und sein kantiges, scharf geschnittenes Gesicht bedachte Gorian mit einem ahnungsvollen Blick.
»Ich muss mit Euch sprechen, Hochmeister.«
»Wo ist Meister Shabran?«
»Genau das ist eines der Dinge, über die wir reden müssen. Und es wäre gut, wenn sichergestellt wäre, dass niemand unsere Gedanken und Worte belauscht.«
22
In die Schlacht!
Zehn Libellengondeln flogen über die inzwischen verschneiten Ebenen Oquitoniens Richtung Norden. Ihnen folgte ein beträchtlicher Teil der caladranischen Himmelsschiffsflotte.
Meister Gorian, Hochmeister Thondaril und Beliak befanden sich mit den Maladran an Bord der Hauptgondel des Fürsten von Naraig, der allerdings in einem abgetrennten Bereich der Gondel weilte. Die Hauptgondel war in ihren gewaltigen Ausmaßen durchaus mit einem Himmelschiff der Caladran vergleichbar. Ein Angehöriger des basiliskischen Königshauses hatte standesgemäß zu reisen.
Gorian blickte aus einem der Fenster in die Tiefe. Überall waren dort im schwachen Dämmerschein der verdunkelten Sonne die Heere des neuen kaiserlichen Regenten zu sehen, die ihre Stellungen zum Großteil bereits eingenommen hatten. Über ihnen flogen Patrouillen der Greifenreiter.
»Es passt dem kaiserlichen Regenten natürlich nicht, dass seine Truppen nur die Nachhut bilden, um diejenigen der Feinde abzufangen, die es schaffen, die erste Linie zu durchbrechen«, sagte Hochmeister Thondaril mit einem süffisanten Lächeln. »Aber er wird es wohl hinnehmen müssen.«
Gorian nickte. »Mir geht eine ganz andere Frage durch den Kopf.«
»Und welche?«
»Wem kann man noch trauen? Torbas, Shabran …« Er schüttelte den Kopf. »Unter den Verrätern des Ordens war immerhin auch ein Hochmeister, und innerhalb dieses brüchigen Bündnisses, das sich gegen
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