Gorian 3
Morygor endlich zusammengefunden hat, traut einer dem anderen nicht.«
»Mit Recht, wie sich gezeigt hat.«
»Wem traut Ihr, Hochmeister?«
»Niemandem«, sagte Thondaril in aller Offenheit. »Nicht einmal mir selbst oder meiner eigenen Stärke. Und nach deinem unvorsichtigen Ausflug zur Frostfeste solltest du dir diesen Grundsatz ebenfalls zu eigen machen.«
Die Libellengondeln erreichten wenig später jenes Gebiet, das der Fürst von Naraig ausersehen hatte, um dort dem Heer Morygors zu begegnen. Eine Kette von sanften Hügeln zog sich südlich eines Bar-Nebenflusses durch Oquitonien. Der Fluss war längst gefroren. Selbst sein Verlauf war kaum noch auszumachen.
Die Libellengondeln bildeten bereits am Himmel eine gerade Linie. Die Riesenlibellen standen eine Weile in der Luft, dann sanken sie langsam tiefer.
»Jetzt gibt es was zu töten!«, sagte einer der Maladran erfreut. Ihm war ein zusätzliches Paar Arme gewachsen, und er hatte sich in vielen Übungskämpfen angewöhnt, mit vier Schwertern gleichzeitig zu fechten. Je weniger geisterhaft die Maladran wurden, desto größer schien ihr Hang zur Individualität. Ein Name, eine besondere Gestalt – was auch immer. Der Vierarmige war nicht der Einzige, der sich auf fast erschreckende Weise verändert hatte.
»Sie haben gute Laune«, wandte sich der Blinde Schlächter an Gorian.
»Wenn unser Plan aufgeht, kommen sie gar nicht zum Einsatz«, gab Gorian zu bedenken.
Eldamir lachte. »Allein die Aussicht auf einen Kampf ist für viele von ihnen schon wie eine Erlösung.«
Die Tür der Gondel wurde von einem der wenigen Schlangenmenschen an Bord geöffnet, und die Maladran stiegen nach draußen, um ihre Positionen einzunehmen.
Beliak schüttelte den Kopf. »Erlösung … Manch einer ist wirklich sehr bescheiden in seinen Erwartungen.«
»Es ist ziemlich kalt draußen«, sagte Gorian. »Du wirst dich wohlfühlen, schätze ich.«
In jeder der zehn Gondeln befanden sich neben einem Basilisken-Magier und einigen Schlangenmenschen und Ogern auch ein paar Maladran, deren Aufgabe es vor allem war, sofort einzuschreiten, sollte sich jemand der anderen Wesen als Wandler erweisen und die Errichtung oder den Einsatz des großen Spiegels zu sabotieren versuchen.
Gorian, Beliak und Hochmeister Thondaril verließen die Hauptgondel mit ein paar bewaffneten Ogern, die ein offenbar sehr schweres Fass ins Freie hievten. Anschließend trugen vier weitere Oger-Söldner die verhängte Sänfte des Fürsten von Naraig ins Freie.
Gorian bemerkte, dass die Sänfte diesmal mit sehr viel dickerem Stoff verhängt war als bei seinem letzten Treffen mit dem Basilisken.
Zuletzt verließ der Basilisken-Magier mit zwei Schlangenmenschen die Gondel. Da er nicht dem Königshaus angehörte, war sein Blick ungefährlich. Wie bei allen Basilisken war seine Gestalt höchst individuell. Es gab tatsächlich nur ganz wenige Merkmale, die allen Angehörigen dieses Volkes eigen waren.
Die Zahl der Arme und Beine war es auf jeden Fall nicht. Dieser Basilisken-Magier hatte von beidem jeweils drei Paare,
und Gorian nahm an, dass er seinen Körper bei magischen Experimenten derart verändert hatte. Ob man diese als geglückt wehrten konnte, war Ansichtssache.
Die Armpaare waren der Größe nach geordnet. Das kleinste erinnerte an die Arme und Hände eines Kindes, das größte an die Gliedmaßen eines Ogers. Die sehr dünnen dreigliedrigen Beine trugen den Basilisken nicht, sondern halfen seinem schlangenartigen Körper dabei, schneller über den Boden zu gleiten. Sie befanden sich sämtlich am hinteren Bereich des Schlangenkörpers. Der hahnenähnliche Kopf drehte sich alle paar Augenblicke ruckartig in eine andere Richtung.
Wie der Magier hieß, wusste auch Hochmeister Thondaril nicht, und da Basilisken-Namen in der Regel für Menschen ohnehin unaussprechlich waren, fragte er auch nicht erst nach. Der Name dieses Basilisken interessierte ihn ebenso wenig wie die seiner Mitmagier, die ebenso aus ihren Gondeln gestiegen waren.
Gorian war in dieser Hinsicht etwas anderer Ansicht. Irgendwann, so nahm er sich vor, würde er auch die Sprache der Basilisken beherrschen, ihre Namen aussprechen können und vielleicht sogar ihre besondere Art der Magie erlernen. Schließlich hatte er es auch geschafft, in das Reich des Geistes zu gelangen, über das alle Caladran miteinander in irgendeiner Weise verbunden waren.
Libellen brachten die Gondeln fort.
»Wissen die Insekten, wohin sie zu fliegen haben?«,
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