Gorian 3
Morygors Sicht. Hoffentlich.«
»Und Morygor ist auch völlig ahnungslos hinsichtlich der Eigenschaften von magischem Quecksilber?«, wunderte sich Gorian.
»Das ist er ganz gewiss nicht. Er weiß vermutlich, dass damit ein Spiegel von gewaltiger Größe errichtet werden soll. Aber die Basilisken-Magier lassen ihn glauben, dass dieser Spiegel das verlöschende Sonnenlicht sammeln und auf das Land werfen soll, sodass die Gletscher nicht weiter vorankommen oder sogar tauen. Die wahren Absichten ahnt er nicht.«
»Ich kann nicht glauben, dass er gar nichts ahnt«, sagte Gorian.
»Weshalb?«
»Weil er den Bärenreiter-Fürsten Thragnyr durch das Weltentor gerufen hat. Das hätte Morygor nicht getan, würde er
nicht eine unerwartete Bedrohung befürchten, denn Thragnyr ist laut den Legenden eine Verräterseele. Zuerst dachte ich, dass Thragnyrs Bärenreiter-Armee nach Süden geschickt werden soll, weil sie anders als die Frostkrieger in wärmere Gebiete vorzudringen vermögen.«
»Das wäre doch eine Erklärung.«
Gorian schüttelte den Kopf. »Nein. Ich habe auf meinem Rückweg nirgends Truppen der Bärenreiter gesehen, die nach Süden zogen. Morygor muss sie zu einem anderen Zweck in die diesseitige Welt geholt haben.«
»Wenn es nötig ist, können Bärenreiter sehr schnell laufen«, sagte Thondaril. »Wie der Blitz, so sagt man.«
»Das habe ich bei ihrem Fürsten erlebt, aber nicht bei den einfachen Bärenreitern.«
»Sie können es, glaub mir. Ich habe die Geheimen Chroniken gelesen, die in den Kellern der Ordensburg lagerten, und darin standen viele Einzelheiten über die Schlacht am Weltentor, die heute kaum noch bekannt sind.«
Also würden sie abwarten müssen, ob die Bärenreiter auftauchen, dachte Gorian und wünschte sich, den Ring eines Sehermeisters bereits am Finger zu tragen, um sich nicht nur auf eine dunkle Ahnung verlassen zu müssen.
Im Einflussbereich des Lichtkegels begann der Schnee tatsächlich zu schmelzen. Als er dies sah, wandte sich Gorian an den vielarmigen Basilisken-Magier. »Wie sehen wir, ob der Spiegel nicht nur das Licht des Sonnenkranzes und der Sterne, sondern auch den Blick eures Fürsten bündelt?«
Das Wispern eines Sprechsteins, den der Magier trug, antwortete Gorian, während ein paar zischende und krächzende Laute aus dem Schnabel des Hahnenkopfes drangen. Der Kamm darauf veränderte seine Farbe von Grün in ein glühendes Rot, dessen Schein alles im Umkreis von mehreren
Schritten in diesen Farbton tauchte und den Schnee zu Gorians Füßen aussehen ließ, als wäre er blutgetränkt.
»Du wirst es nicht sehen, Menschensohn«, lautete die Antwort des Basilisken. »Niemand wird es sehen können, es sei denn, er hat die Augen eines Basilisken, denn nur sie können es unterscheiden. Also möge niemand in den erleuchteten Bereich treten, dem sein Leben lieb ist.«
Die Stunden gingen dahin. Der Lichtkranz der Sonne wanderte in einem Bogen über den Himmel, und hin und wieder sah man jenseits des Horizonts Blitze emporschießen, mit denen Morygor letzte Korrekturen an der Position des Schattenbringers durchführte. Diese Blitze waren fern und geräuschlos und erinnerten an Sternschnuppen, nur dass sie in umgekehrter Richtung über den Himmel zogen.
Eldamir zog aus Langeweile sein Schwert und fuchtelte damit herum. »Ich hoffe nicht, dass es sich unsere Feinde anders überlegt haben.«
»Ganz im Gegenteil«, meinte Thondaril. »Sie werden sich mit ihrem Vormarsch sogar noch beeilen, denn sie wollen dieses Land hier nicht so vorfinden wie das bei den Singenden Steinen.«
Thondaril hatte recht, das Eis schmolz immer mehr. Dampfende Nebel bildeten sich überall und wallten empor.
Der große Spiegel vergrößerte noch die Ausdehnung seiner Strahlung, veränderte seinen Neigungswinkel und wölbte sich leicht, sodass er den schwachen Schein des Sonnenkranzes optimal sammeln und weitergeben konnte.
Die ersten Bäche aus Schmelzwasser bildeten sich und furchten sich in das Eis, während in dem Bereich, der dem Spiegel abgewandt war, noch immer bittere Winterkälte herrschte.
Aber noch war nichts von Leviathanen zu sehen.
Stattdessen wehte auf einmal ein eisiger Wind, der ganz sicher magisch unterstützt, wenn nicht sogar magisch erzeugt wurde. Offenbar hatte Morygor die Elementargeister aufgepeitscht, um den Frostkriegern den Weg in die Schlacht zu erleichtern.
Doch nicht nur das – Eis bildete sich am Gestänge aus magischem Quecksilber, und bald war auch fast die
Weitere Kostenlose Bücher