Gorian 3
schon wenige Augenblicke später für den Angreifer nicht mehr erreichbar.
Wie aus dem Nichts tauchte plötzlich ein dunkler Schatten aus dem Schneegestöber auf. Der Leviathan strebte genau darauf zu, und Gorian brauchte ein paar Augenblicke, um zu begreifen, was es war: die Spitze eines Gebirges. Sie hatten das sichere Land erreicht.
Der Leviathan wurde langsamer. Er war zu Tode erschöpft,
Gorian konnte es deutlich spüren. Er schleppte sich bis zu der Bergspitze. Der unglaublich starke Wind hatte wohl dafür gesorgt, dass bisher weder Eis noch Schnee an dem glatten Gestein haften geblieben waren.
Der Leviathan drückte den vorderen Teil seines Körpers gegen die steil aufragende Felswand, so als erhoffte er sich Schutz. Etwas überrascht stellte Gorian fest, dass dieses Wesen offenbar keinerlei Neigung hegte, sich wieder unter Morygors Herrschaft zu begeben.
Ganz im Gegenteil.
»Da ist irgendwo die Erinnerung an unvorstellbaren Schmerz in ihm«, stellte Sheera in Gedanken fest. »Ich nehme an, dass sich Morygor den Geist dieses riesigen Wesens auf diese Weise gefügig gemacht hat.«
»Was ihm ja auch gelungen ist.«
»Aber nur, bis du ihn diesem Einfluss entrissen hast.«
»Wir dürfen uns keinen Illusionen hingeben, Sheera. Der Leviathan ist sofort wieder Morygors Geschöpf, sobald ich ihn aus meiner magischen Kontrolle entlasse.«
»Da bin ich mir nicht so sicher, Gorian.«
Gorian dachte an Ar-Don. Auch ihm hatte Morygor so unglaublich viel Schmerz zugefügt, vor allem jenem Teil seiner Seele, die einst Meister Domrich gewesen war. Daher hasste er Morygor wie sonst wohl nichts auf der Welt. Und ähnlich schien es auch bei dem Leviathan zu sein.
Gorian zog Sternenklinge aus dem Körper des Riesenwurms. Sheera sprach eine Heilformel, um die Blutung zu stillen, die dadurch ausgelöst wurde. Es war schwarzes Blut, das aus der Wunde quoll, aber der Leviathan reagierte kaum auf das, was Gorian tat, zu unerheblich war die Verletzung, die er durch das Schwert davongetragen hatte. Und darüber hinaus war er wohl auch einfach zu sehr geschwächt.
»Du wirst mir weiterhin gehorchen!« , versuchte Gorian dem Leviathan mit einem sehr intensiven Gedanken einzutrichtern.
Die Reaktion bestand nur aus einem tiefen Schnauben, wodurch eine kleine Schneeverwehung entstand.
»Vielleicht ist es wirklich keine schlechte Idee, erst mal im Inneren des Leviathans Schutz zu suchen«, sagte Gorian laut zu Sheera.
Sheera warf einen misstrauischen Blick zu den Maladran. »Wir werden diese Wiedergänger-Brut wohl kaum draußen vor dem Leviathanen-Maul halten können.«
Gorian hatte das Gefühl, den Leviathan ganz gut unter seiner geistigen Kontrolle zu haben. Die Kreatur wehrte sich auch nicht dagegen. Im Gegenteil, der Riesenwurm schien lieber Gorians Befehlen zu gehorchen, als weiterhin unter Morygors schmerzhafter Knechtschaft zu stehen.
Als Gorian den Adh aus seinen magischen Fesseln entließ, rutschte Beliak um ein Haar vom Leviathanen-Rücken und beschwerte sich auch gleich darüber. »Nicht, dass es mir als Untoten besonders viel ausmachen würde, in die Tiefe zu stürzen und auf das Eis zu schlagen, aber du machst einen großen Fehler, wenn du mich freilässt. Lass mich hier. Die Kälte macht mir nichts aus. Ich bin schließlich ein Geschöpf des Frostreichs. Hast du das vergessen?«
»Du bist ein unglaublicher Schwätzer geworden, seit du getötet wurdest«, erwiderte Gorian mürrisch. »Der Tod scheint dir wirklich nicht zu bekommen. Und jetzt komm. Ich brauche jeden Gefährten.«
Während sich Gorian und Sheera an den Abstieg vom Leviathan machten, sprang Beliak einfach in die Tiefe. Durch das Schneegestöber hatte sich unten eine dicke Schicht aus
weichem Neuschnee gebildet, in die Beliak fast vollständig einsank.
Die Maladran gelangten auf höchst unterschiedliche Weise vom Rücken des Leviathans. Manche kletterten, andere schwebten oder sprangen einfach hinab, wobei sie recht sicher auf dem Boden landeten. Nur wenige von ihnen lösten ihre Stofflichkeit wieder auf, um sich auf diese Weise den Abstieg zu erleichtern.
»Sie fürchten sich davor, wieder das zu werden, was sie so lange gewesen sind«, erkannte Sheera. »Vergessene Schatten.«
»Sie folgen uns. Und wir werden gegen ihre ungebetene Gesellschaft kaum etwas tun können« , gab Gorian in Gedanken zurück.
Sie gingen an dem gewaltigen Körper des Leviathans entlang. In seinem Windschatten war es nicht ganz so eisig wie oben auf seinem
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