Gorian 3
ließ das Flaggschiff des Königs beschleunigen. Die Begleitflotte folgte ihnen.
»Nelbar heißt unser Ziel«, wandte sich König Abrandir an ihn, während die Kraft der metamagischen Raumzeitwinde auch für Gorian deutlich spürbar wurde.
Auf Gorians Stirn zeigte sich eine Falte. »Nelbar?«, wandte er sich an Zog Yaal.
»Nelbar in Oquitonien«, bestätigte der junge Greifenreiter. »Dort wird sich der Widerstand gegen Morygor sammeln. Alle, die sich dem Bündnis angeschlossen haben. Aber über diese Pläne weiß ich ehrlich gesagt nur das, was ich am Rande mitbekommen habe.« Er zuckte mit den Schultern, ein müdes Lächeln flog über sein Gesicht. »Ich bin eben niemand mit einer großartigen Bestimmung, der irgendwann mal die Schicksalslinien irgendwelcher großen Mächte stören könnte. Warum sollte man mich in alles einweihen?«
»Nelbar …«, murmelte Sheera.
»Deine Heimat« , sandte Gorian ihr einen Gedanken.
»Die Erinnerungen daran erscheinen mir, als kämen sie aus einem fremden Leben. Es ist so viel geschehen.«
Der weitere Flug nach Süden verlief ohne Zwischenfälle. Unter Deck befanden sich Quartiere, in denen man sich ausruhen konnte. Die Maladran machten davon allerdings ebenso wenig Gebrauch wie Beliak. Gorian musste unwillkürlich an einen Satz aus den Axiomen des Ordens denken: Die Endlichkeit der Kraft kennzeichnet das Lebendige.
So sehr man auch mit Magie die Ermüdung zu unterdrücken vermochte, irgendwann waren die Kräfte einfach verbraucht, sofern man nicht ein Untoter war.
Genau darin lag ein entscheidender Vorteil, den Morygors Kreaturen von Anfang an auf ihrer Seite gehabt hatten.
Eldamir und die Maladran blieben auf dem Vorderdeck und wurden von Abrandirs Caladran misstrauisch im Auge
behalten. Beliak wiederum hielt sich abseits und schien beide Gruppen zu meiden.
Ganz besonders missfielen ihm die Blicke von Meister Thondaril, die den Adh zu durchbohren schienen.
»Was siehst du mich so an, als wäre ich eine Abscheulichkeit ?«, sprach er den zweifachen Ordensmeister irgendwann an. »Ich habe Gorian geholfen zu überleben – und dafür solltest du mir dankbar sein, denn wie ich wohl richtig annehme, gibt es nicht mehr viele von euch Ordensbrüdern.«
»Da hast du leider recht«, räumte Thondaril mit unbewegtem Gesicht ein.
»Ich bin ein Adh und außerdem ein Untoter – für manche sind das schon zwei Gründe, mich nicht zu mögen, aber in deinem Fall kannst du es nicht darauf schieben, dass mein Körpergeruch und eine feine Caladran-Nase nicht miteinander harmonieren.«
»Du irrst dich«, entgegnete Thondaril. »Ich hege keinerlei Vorurteile gegen dich. Aber ich frage mich, ob ich dir trauen kann.«
»Im Gegensatz zu vielen Lebenden weiß ich, was es bedeutet, Morygors Sklave zu sein«, gab Beliak zu bedenken. »Und ich weiß, dass ich das um keinen Preis der Welt wieder sein möchte. Zu behaupten, ich wäre bereit dafür zu sterben, würde in meinem speziellen Fall vielleicht nicht so richtig überzeugend klingen – aber ich hoffe, du verstehst dennoch, was ich meine.«
»Wir werden sehen«, sagte Meister Thondaril in einem gleichermaßen abschließenden wie ausweichenden Tonfall.
Damit wandte er sich ab und ließ den Adh an der Reling des Achterdecks stehen.
»Ja, richtig, wir werden sehen!«, rief Beliak ihm hinterher. »Wir werden zum Beispiel sehen, wer sich als die ausdauernderen
Widerstandskämpfer gegen Morygors Frostreich erweisen werden – die Lebenden oder die Toten!«
Ein Klopfen weckte Gorian aus tiefem Schlaf. Seine Hand fühlte dichtes, geschmeidiges Haar. Sheera hatte sich an ihn geschmiegt und schlief noch. Aber Gorian spürte, dass seine Gedanken sie unabsichtlich weckten.
»Gorian? Wir müssen miteinander sprechen – und zwar jetzt!«, drang Meister Thondarils Stimme durch die Tür. Und selbst wenn sie Gorian und das Klopfen zuvor nicht geweckt hätten, der sehr intensive Gedanke, mit dem der zweifache Ordensmeister seine Worte unterlegte, hätte dies auf jeden Fall getan.
Sheera hob den Kopf. »Es scheint wirklich wichtig, Gorian.«
Wenig später traf er Meister Thondaril in einem Raum unter dem Achterdeck. Er hatte Fenster mit getöntem magischem Glas. Auf einer heiligreichischen Kogge hätte man diesen Raum wohl als Offiziersmesse bezeichnet.
In der Mitte befand sich ein Tisch aus einem dunklen Holz, das Gorian keiner bekannten Baumart zuordnen konnte. Allerdings spürte er die Aura eines sehr hohen Alters, die diesem Material
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