Gorian 3
Punkt seine feste Meinung, und entsprechend handelte er.
»Ihr wisst, dass ich ein Geheimnis zu bewahren weiß«, sagte Gorian.
»Auch gegenüber Sheera?«
»Ja.«
Thondaril musterte ihn. Auch wenn sein hart geschnittenes Gesicht kaum eine Regung zeigte, so kannte Gorian den zweifachen Ordensmeister doch gut genug, um ihm anzusehen, dass seine Zweifel keineswegs beseitigt waren.
»Morygor hat die Angewohnheit, uns dort anzugreifen, wo wir am schwächsten sind«, erklärte Thondaril. »Vergiss das nicht, Gorian.«
»Ich verstehe nicht, was Ihr meint.«
»Wir sind immer denen gegenüber am schwächsten, die wir lieben.«
»Ihr wollt damit sagen …«
»Ich will dir nur raten, wachsam zu sein, das ist alles.« Thondaril machte eine ausholende Handbewegung. Daraufhin veränderte sich die Oberfläche des Tisches. Eine Karte aus Licht erschien, die einen Teil von Ost-Erdenrund zeigte. »Die Lage hat sich weiter zugespitzt. Das Frostreich dehnt sich beständig aus. Ungezählte Flüchtlinge sind auf dem Weg
in den Süden. Aber mindestens ebenso viele Bewohner der eroberten Länder sind zu untoten Schattengeschöpfen geworden. Ohne dass Morygor allerdings auf sie angewiesen wäre. Denn ständig dringen weitere Leviathane, die mit seinen Frostkriegern gefüllt sind, nach Süden vor.« Meister Thondaril deutete auf ein Gebirge, das im Norden von Eldosien lag und die nördliche Grenze des Herzogtums nach Mitulien und Oquitonien bildete. »Ein Vorstoß Morygors über die oquitonische Tiefebene steht unmittelbar bevor«, erklärte er. »Alles deutet darauf hin, sowohl unsere Voraussicht der Schicksalslinien als auch die Truppenbewegungen der anderen Seite und der Zug der Leviathane.«
»Voraussicht der Schicksalslinien?«, fragte Gorian und wunderte sich darüber, wie beiläufig Thondaril dies erwähnte. »Die Seher des Ordens sind Morygor in dieser Disziplin weit unterlegen, das wisst Ihr.«
»Aber wir haben mächtige Helfer und Verbündete bekommen. «
»Ihr sprecht von den Caladran und ihrer Magie?«
»Ja, auch sie sind sehr hilfreich. Sie und die Basilisken, deren Magie ebenfalls sehr mächtig ist.«
»So ist das Bündnis mit ihnen also doch zustande gekommen! «, entfuhr es Gorian. Das war die erste gute Nachricht seit langem. »Als wir seinerzeit Basaleia verließen, sah es nicht unbedingt danach aus, als wären unsere Bemühungen von Erfolg gekrönt.«
»Offenbar hat man in Basaleia eingesehen, dass die internen Machtkämpfe innerhalb des Herrscherhauses zunächst einmal zurückstehen müssen. Jedenfalls ist es unserem Gesandten Meister Yvaan gelungen, den Herrscher zu überzeugen, dass auch sein Reich von Morygors Horden bedroht wird.« Meister Thondaril zuckte mit den Schultern. »Vielleicht
reichte dafür aber auch ein Blick zur immer schmaler werdenden Sonnensichel.« Er ließ den Finger über der Lichtkarte kreisen. »Du siehst hier das Nord-Eldosische Gebirge. Zurzeit sind sämtliche verfügbaren Magiemeister des Ordens damit beschäftigt, dieses Massiv in einen einzigen großen Bannstein zu verwandeln. Die Schamanen und Magier der Caladran und der Basilisken werden ihnen dabei mit ihren Kräften helfend zur Seite stehen.«
Gorian war sichtlich beeindruckt. Gleichzeitig fühlte er Genugtuung darüber, dass die Bemühungen, eine einheitliche Front aller zur Verfügung stehenden Mächte gegen den Herrn der Frostfeste zu schmieden, offenbar doch noch gefruchtet hatten.
Die Frage war nur, ob dieses Bündnis noch in der Lage sein würde, mehr als nur einen hinhaltenden Widerstand gegen die drohende Flut des Unheils zu leisten.
Wahrscheinlich nicht, überlegte er. Es reichte schon, wenn es Morygor gelang, die Position des Schattenbringers noch einmal um wenige Grad zu verändern, sodass er die gesamte Sonne verdeckte. Spätestens dann war jeglicher Widerstand gegen die Invasion sinnlos und alle Hoffnung auf das Weiterleben der Völker Erdenrunds zunichtegemacht.
»Der große Bannstein wird Kräfte von nie gekannter Intensität entfalten«, erklärte Thondaril. »Ich habe mich mit einigen anderen Meistern darüber per Handlichtlesen ausgetauscht. Die Gipfelregion dieses Gebirgssegments nennt man auch die Singenden Felsen. Sie sind ein uralter Ort der Kraft, und diese Kraft wird nun für unsere Sache nutzbar gemacht.«
»Und das könnte Morygors Horden davon abhalten, bis zur Küste des Laramontischen Meeres vorzudringen?«, fragte Gorian skeptisch.
»In einem breiten Gebietsstreifen wird jegliche Magie
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