Gorian 3
stark
gedämpft. Unglücklicherweise auch die unsere. Aber Meister Yvaan geht davon aus, dass kein Untoter diese Barriere überschreiten kann. Außerdem lassen sich weitere magische Hürden erzeugen.«
»Was ist mit den Leviathanen?«, fragte Gorian. »Auch wenn die untoten Frostkrieger in ihrem Inneren zugrunde gehen, kann Morygor sie allein zum Angriff schicken. Das hat er in der Vergangenheit schon getan. Diese Geschöpfe sind weder untot noch durch eine magische Barriere für lange Zeit aufzuhalten, denn früher oder später würden sie sich einfach durch das Erdreich graben.«
»Der Felsengesang lässt sich mithilfe von Magie so verstärken, dass selbst ein Leviathan daran zugrunde geht«, erklärte Meister Thondaril. »Der Klang, den der Wind dort erzeugt, treibt schon die meisten Menschen in den Wahnsinn, weshalb sich unsere Ordensmeister nur mit verstopften Ohren und einem das Gehör dämpfenden Zauber dorthin wagen. Diese Töne lassen sich beeinflussen, und zwar so, dass es die Leviathane förmlich zerreißt.«
Gorian blieb skeptisch. Dieser Plan schien ihm zu hoffnungsvoll, zu mächtig die Waffen, über welche die Verteidiger Ost-Erdenrunds auf einmal verfügen sollten. Es fiel ihm daher schwer zu glauben, was er zu hören bekam.
»Woher habt Ihr all dieses Wissen?«, fragte er schließlich, auf der Stirn eine tiefe Furche des Misstrauens. Auch ihm waren die Singenden Felsen bekannt, und über das Nord-Eldosische Gebirge gab es viele wunderliche Legenden – aber dass sich daraus ein Bollwerk gegen das Frostreich errichten ließ, wäre ihm nie in den Sinn gekommen.
»Meister Yvaan studierte in den Bibliotheken des Basilisken-Reichs alte Schriften«, antwortete ihm Meister Thondaril. »Er hat sein ganzes diplomatisches Geschick und sein Gewicht
als Gesandter des Ordens einsetzen müssen, um überhaupt Zugang zu diesen Bibliotheken zu erhalten. Von ihm stammt die Idee. Ob sie sich auch umsetzen lässt und wirklich eine Hoffnung für uns alle sein kann, wird sich erweisen. Jedenfalls stieß er auf Berichte über die besonderen Kräfte des Nord-Eldosischen Gebirges.« Thondarils rechter Zeigefinger wanderte über die Karte. »In der Mitte Gryphlands kämpfen nach wie vor die Feuerdämonen gegen das vordringende Eis, und in diesem Kampf ist auf absehbare Zeit kein Sieger zu erwarten. Wenn es uns gelingt, die Macht der Singenden Felsen freizusetzen, entsteht eine zwar nicht lückenlose, aber doch sehr breite Barriere, die Morygors Horden zumindest zu weiten Umwegen zwingt. Die magiehemmende Wirkung dieser Kräfte wird bis weit in die oquitonische Tiefebene reichen, und selbst, wenn ihre Wirkung mit anwachsender Entfernung zu den Singenden Felsen schwächer wird, werden die untoten Frostkrieger dadurch in jedem Fall in ihrer Kampfkraft geschwächt.« Er atmete tief durch; es klang wie ein Seufzen. »Ich will nicht verleumden, dass dies Morygor nur auf Zeit aufhalten wird, Gorian, aber …«
»Ich brauche ein Himmelschiff, Meister Thondaril!«, fiel ihm Gorian ins Wort. »Ein Himmelsschiff, mit dem ich zur Frostfeste fliegen kann, um den entscheidenden Kampf herbeizuführen …« Er verstummte und ballte die Hände zu Fäusten, denn ihm wurde bewusst, wie vermessen sich seine Forderung ausnehmen musste angesichts der Tatsache, dass man ihn gerade erst mit knapper Not gerettet hatte. Und von seiner Niederlage im Kampf gegen Torbas wusste Thondaril noch nicht einmal.
Thondaril sah ihn eine ganze Weile lang an, und er brauchte weder etwas zu sagen noch einen ausformulierten Gedanken zu senden; Gorian wusste auch so, was im Kopf
seines Gegenübers vor sich ging. Er musste seinen ehemaligen Schüler für vollkommen maßlos halten. In den Augen des Meisters erkenne dich selbst, fiel ihm erneut ein Satz aus den Axiomen ein, der ihm nie wahrer erschienen war als in diesem Moment.
»Ehrgeizige Ziele entsprechen deinem Charakter«, sagte Thondaril schließlich. »Du hast schon diejenigen, die du dir in der Vergangenheit gesteckt hast, nicht alle erreicht.«
»Ich weiß«, murmelte Gorian. »Aber ich weiß auch, dass es meine Bestimmung ist, Morygors Schicksalslinie zu kreuzen. «
»Das Geflecht der Schicksalslinien, die die Zukunft bestimmen, verändert sich von Augenblick zu Augenblick durch das, was in der Gegenwart geschieht, Gorian. Du kannst dir hinsichtlich deiner Bestimmung niemals völlig sicher sein.«
»Auch das weiß ich.«
»Und nach allem, was ich erkennen kann, ist der Zeitpunkt noch nicht gekommen,
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