Gorian 3
Gorian durch ihre Augen gesehen und das Gesicht der Heilerin Hebestis wiedererkannt.
Doch bis in dieses bläulich schimmernde Gewölbe reichte die Verbindung nicht.
Meister Shabran schien zu ahnen, was gerade in Gorian vorging, denn er sagte: »Es ist auch jegliche Kontaktaufnahme durch Handlichtlesen unmöglich. Kein Gedanke soll dieses Gewölbe verlassen und keiner von außen eindringen, denn beides kann großes Übel bewirken.«
»Ich sehe, es wurde an alles gedacht«, erwiderte Gorian. »Aber wenn es so viele Verräter in unseren Reihen gab, wie ich gehört habe, wie kann verhindert werden, dass sich nicht auch welche unter all den Ordensbrüdern in diesem gewaltigen Gewölbe befinden und unsere Entscheidungen beeinflussen? «
»Gegen Verrat wird es nie ein wirklich wirksames Mittel geben«, sagte Meister Shabran. »Mein eigener Mentor, Meister Parrach, hatte sich auf Morygors Seite geschlagen, ohne dass es dafür irgendwelche erkennbaren Anzeichen gegeben hätte. Zumindest keine, die ich bemerkte.«
»Selbst unser Hochmeister war Morygor verfallen«, murmelte der junge Schwertmeister.
Shabran nickte. »Es gibt keine Sicherheit vor Verrat, nur das Vertrauen in diejenigen, die wir dieses Vertrauens für würdig erachten. Der Orden mag auf eine uralte Geschichte zurückblicken und sie beschwören wie einen Schutzgeist, aber in Wahrheit entsteht er heute neu. Und es wurden nicht alle, die den Ring tragen, dazu eingeladen, daran teilzunehmen.«
Das Gewölbe füllte sich mehr und mehr. Der überwiegende Teil der anwesenden Meister waren im Haus des Schwertes ausgebildet worden. Sie stellten ohnehin zu allen Zeiten die Mehrheit der Ordensmitglieder.
Die Zahl der Schattenmeister war geringer, und Gorian fiel auf, dass keiner von ihnen über die Schattenpfade in das magisch abgeschirmte Gewölbe gelangte. Vielleicht war auch dies nicht möglich. Schließlich hatte sich auch eine Reihe von Schattenmeistern auf Morygors Seite gestellt, zuletzt Meister Parrach.
Die Sehermeister waren stets eine zahlenmäßig kleine Gruppe unter den Meistern gewesen, und das traf immer
noch zu. Sie standen als Gruppe zusammen und waren auf diese Weise leicht zu erkennen. Außerdem trugen sie weiße Festkutten, die eigentlich seit langer Zeit kaum noch üblich waren. Aber offenbar wollten sie auch damit ein Zeichen für den Neubeginn setzen.
Magiemeister und Heilmeister waren etwa gleich stark vertreten.
Dass er so viele unbekannte Gesichter sah, verwunderte Gorian nicht. Schließlich hatte ein Großteil der überlebenden Ordensmeister in den über ganz Ost-Erdenrund verteilten Gesandtschaften und Komtureien des Ordens gedient.
»Überlebende der Schlacht um die Ordensburg wirst du hier nicht viele finden«, erriet Meister Thondaril Gorians Gedanken. »Es gab kaum welche, und die wenigen sind später nach und nach zu Morygor übergelaufen. Du hast es ja bei Torbas erlebt: Wen seine Aura einmal erfasst hat, der bleibt für immer verwundbar.«
»Ja«, murmelte Gorian. Torbas … Eigentlich hätte er hierhergehört, in diese Versammlung.
In der Mitte des Gewölbes befand sich ein gestufter Steinsockel in ovaler Form. Meister Yvaan trat aus der Menge hervor. Er stieg die Stufen empor und verkündete mit einer Stimme, die mit keinem Gedanken unterlegt war: »Es wird nun zuerst der älteste überlebende Ordensmeister zu uns sprechen. Es ist Meister Morgun, der unsere Gesandtschaft auf Margorea leitete. Er wird diese Zusammenkunft eröffnen, und danach werden wir die Aufgabe haben, einen Hochmeister zu wählen. Auf die Wahl von Oberen für einen Entscheidungskonvent werden wir bis auf Weiteres verzichten. Außerdem weise ich nochmals darauf hin, dass das magische Feld, das uns umgibt, uns auch zwar nach außen schützen soll, aber darüber hinaus verhindert, dass irgendjemand unter
uns einen anderen mit seiner Gedankenkraft beeinflusst. Wer immer das versucht, wird erkennen, dass die Kraft seiner Gedanken auf ihn zurückgeworfen wird, denn sie bleiben in diesem Raum gefangen. Es zählt nur das reine Wort und nicht die verstärkende Magie.«
»Das ist empörend!«, rief ein Sehermeister mit grauen Haaren und rotem Bart. Sein Name war Ebeldin, und Gorian hatte sogar einmal kurz Unterricht bei ihm gehabt. Es war eine der wenigen Lektionen gewesen, die er im Haus der Seher erhalten hatte, denn Meister Ebeldin war kurz darauf mit einem wichtigen und geheimen Auftrag des Ordens abberufen worden. »Es ist empörend, dass wir anfangen, uns
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