Gorian 3
»Oder hast du vielleicht einen Angriff meinerseits vorausgesehen? «
»Nach einer unerfreulichen Begegnung mit einem von Morygor entsandten Gargoyle-Zwilling hege ich gewisse Zweifel an meiner Fähigkeit zur Voraussicht«, gestand Gorian ein.
»Also hat der Herr der Frostfeste den Gedanken, dich zu töten, nicht aufgegeben«, murmelte Shabran, so als würde dies eine tiefer gehende Erkenntnis beinhalten. »Wie auch immer, ich hoffe, du wirst deine Zeit hier in Nelbar dazu nutzen, deine Ausbildung in jenen Häusern fortzusetzen, deren Meisterringe du noch nicht trägst, vor allem in dem der Schattenpfadgänger.«
»Wenn sich die Gelegenheit dazu ergibt.« Gorian hob die Hand. »Ein Meisterring steckt mir am Finger, aber ich wollte fünf.«
»Ich werde dein Lehrer im Haus der Schatten sein. Das hatte ich bereits so mit Meister Thondaril besprochen, für den Fall, dass du aus den Weiten des Frostreichs zurückkehrst. Und das ist dir offensichtlich gelungen.«
Gorian wandte den Kopf und sah seinen Mentor mit einem Ausdruck des Erstaunens an. »Habt Ihr noch andere Entscheidungen für mich getroffen, während Sheera und ich im Eis an der Seite der Maladran um unser Überleben kämpften?«
Eine Antwort blieb ihm der zweifache Ordensmeister schuldig. Er verschloss seinen Geist, sodass Gorian nicht einmal
erkennen konnte, ob er den Gedanken seines ehemaligen Schülers überhaupt irgendeine Beachtung schenkte.
»Du wirst dich in der Kunst der Schattenpfadgängerei üben müssen, wenn du tatsächlich eines Tages versuchen willst, zur Frostfeste zu gelangen«, fuhr Shabran fort. »Allerdings ist das bisher noch keinem gelungen, der nicht zuvor zu Morygors Sklaven wurde.«
»Ich nehme dein Angebot gern an«, erklärte Gorian und verbeugte sich leicht.
Shabran wandte sich an Sheera. »Du musst in den Westflügel. «
»Was soll ich dort?«, fragte sie.
»Man wird dich prüfen und dir dann den Ring einer Meisterin des Heilens verleihen«, erklärte Shabran. »Eine reine Formsache ist das zwar nicht, aber angesichts deiner Fähigkeiten, die Meister Thondaril außerordentlich gewürdigt hat, habe ich keinerlei Zweifel, dass du die Prüfungen alle mit Bravur bestehen wirst.«
Während sich Sheera daraufhin in den Westflügel begab, wurden Gorian und Thondaril von Shabran in ein riesiges, nahezu kathedralenartiges Gewölbe unterhalb der Burg geführt, in dem sich bereits etwa hundert Menschen versammelt hatten. Dabei waren noch längst nicht alle Meister anwesend.
Unter denen, die sich bereits eingefunden hatten, überwogen jüngere Gesichter. Manche von ihnen hatte Gorian noch während seiner Ausbildung auf der Ordensburg flüchtig kennengelernt. Ein paar ältere Meister befanden sich allerdings ebenfalls unter den Versammelten, darunter auch Meister Yvaan.
»Thondaril! Gorian! Seid gegrüßt«, rief der Gesandte des Ordens in Basaleia.
»Seit wann weilt Ihr bereits in Nelbar?«, fragte Thondaril erstaunt.
»Ich bin erst vor ein paar Stunden aus einer der Gondeln unserer basiliskischen Verbündeten gestiegen«, erklärte Meister Yvaan. »Übrigens haben sie keineswegs nur Schlangenmenschen-Söldner über das Meer geschickt, sondern auch basiliskische Magier und sogar ein Mitglied des Königshauses. Ihr wisst schon, einen jener Basilisken, deren Blick einen zu Stein erstarren lässt. Angeblich sollen unsere Freunde sogar eine Möglichkeit gefunden haben, diese Kräfte in Zukunft besser auszurichten.«
»Ihr meint, sie auf den Feind zu lenken, ohne dass unsere Soldaten erstarren?«, fragte Gorian.
»Genau.«
»Und wie soll das gehen?«
»Das ist bislang geheim«, erklärte Yvaan. »Die Basilisken verraten uns nichts Näheres darüber!«
14
Die Versammlung der Meister
Es waren keine Fackeln, die das riesige Gewölbe tief unter der Siebten Burg von Nelbar erhellten, in dem die Meister des Ordens der Alten Kraft ihre Zusammenkunft abhielten, sondern ein magischer hellbläulicher Schimmer, der über den feucht-kühlen Wänden lag. Es handelte sich um einen magischen Schutz gegen Bespitzelung jeder Art, so ähnlich wie Meister Thondaril ihn auch in der Messe der Hoffnung des Himme ls gewirkt hatte.
Nur war dieser magische Schutz noch weitaus stärker. Als Gorian den Raum betrat, riss sogar die innere Verbindung zu Sheera ab.
»Wo bist du?« , war der letzte Gedanke, den er von ihr empfing. Er hatte gerade noch mitbekommen, wie sie den Raum betrat, in dem die Prüfungen der Heiler stattfanden. Für einen Moment hatte
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