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Gorki Park

Gorki Park

Titel: Gorki Park Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz-Smith
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schätzen.«
    Arkadi empfand ein seltsames Schwindelgefühl, als er aus dem Wagen stieg. Wesley blieb sitzen.
    Arkadi stieß die Glastür auf. In der Hotelhalle fielen ihm der kastanienbraune Teppichboden, die rosa Marmorsäulen und die Messingleuchter mit elektrischen Kerzen auf. Ein Mann mit dunklen Ringen unter den Augen erhob sich aus einem Sessel, gab Wesley mit seiner Zeitung ein Zeichen, warf Arkadi einen prüfenden Blick zu und nahm wieder Platz. Arkadi fuhr mit einem Lift nach oben, in dessen Tür Alles Scheiße eingeritzt war.
    Zimmer 518 lag am Ende des Korridors im fünften Stock. Die Tür von Zimmer 513 wurde einen Spalt weit geöffnet, als Arkadi vorbeiging, und hastig geschlossen, als er sich wütend umdrehte. Er blieb vor der Nummer 518 stehen, schloss auf und betrat das Zimmer.
    Sie saß im Halbdunkel auf dem Bett. Er konnte nicht beurteilen, was für ein Kleid sie trug, ob es ein russisches oder amerikanisches Kleid war. Sie war barfuss.
    »Ich habe dafür gesorgt, dass du hergeholt wirst«, sagte Irina. »Ich habe anfangs mitgemacht, weil sie mir gedroht haben, dich umzubringen. Dann wurde mir klar, dass du so gut wie tot sein würdest, solange du dort drüben bliebst. Ich habe dieses Zimmer nicht mehr verlassen, bis du gekommen bist … «
    Sie hob das Gesicht, und er sah die Tränen in ihren Augen. Das ist alles, was wir uns zum Schluss zu bieten haben, dachte Arkadi. Er berührte ihre Lippen, und sie sagte seinen Namen gegen seine Hand.
    Dann sah er das Telefon auf dem Nachttisch. Jamskoi belauscht uns! dachte er. Nein, Wesley, korrigierte er sich. Er riss die Telefonschnur aus der Wand.
    »Du hast’s ihnen nie gesagt«, flüsterte sie, als er zurückkam. »Du hast ihnen nie verraten, wer Jamskoi in Wirklichkeit erschossen hat.«
    Ihr Gesicht war verändert, schmaler, so dass die Augen größer wirkten. War sie noch schöner geworden?
    »Wie konnten sie nur glauben, du seist einer von ihnen?« fragte sie.
    Hier waren Fußböden weicher, Betten härter. Sie ließ sich zur Seite gleiten. »Und jetzt bist du da.« Sie küsste ihn.
    »Wir sind beide da.« Arkadi spürte plötzlich aberwitzige Kräfte in sich.
    »Beinahe frei«, flüsterte sie. »Lebendig.« Er lachte.
    Wesley und drei weitere FBI-Agenten brachten Sandwiches und Kaffee zum Frühstück. Arkadi trank einen Becher Kaffee. Irina zog sich im Bad an.
    »Soviel ich gehört habe, ist der Verbindungsmann zur hiesigen Polizei ein Lieutenant Kirwill«, sagte Ray, ein kleiner, eleganter Mann - der einzige der vier FBI-Agenten, der seine Füße nicht auf den Couchtisch legte. »Gibt’s da Probleme?«
    »Keine Probleme«, antwortete Wesley. »Leichte persönliche Verwicklungen.«
    »Scheint eher ein Fall für die Klapsmühle zu sein«, meinte George. Er war der Mann mit den dunklen Rändern unter den Augen, den Arkadi am Abend zuvor in der Hotelhalle gesehen hatte. Die anderen bezeichneten ihn manchmal als »den Griechen«. Er stocherte mit einem Streichholz in den Zähnen.
    »Man muss die Geschichte des sozialistischen Radikalismus in New York City und die Tradition der Irisch-Amerikaner bei der hiesigen Polizei kennen. Sonst versteht man überhaupt nichts«, sagte Wesley. »Aber wichtig ist nur, dass Kirwill das Rote Kommando retten will.«
    »Und was ist das Rote Kommando?« erkundigte Arkadi sich.
    Die anderen schwiegen unsicher, bis Wesley ihm freundlich zunickte. »Die New Yorker Polizei hat ein Rotes Kommando. Es bekommt alle zehn Jahre einen neuen Namen: Abteilung zur Bekämpfung des Radikalismus, Büro für Public Relations, für öffentliche Sicherheit und so weiter. Im Augenblick läuft es unter der Bezeichnung Büro für Sicherheitsermittlungen, aber für Eingeweihte bleibt es das Rote Kommando. Lieutenant Kirwill ist im Roten Kommando für die Russen zuständig. Und Sie sind Russe.«
    »Und wer sind Sie?« fragte Arkadi die Männer. »Wozu haben Sie uns nach Amerika gebracht? Wie lange sollen wir hier bleiben?«
    Al brach das Schweigen, indem er das Thema wechselte. Er war der Älteste, hatte auffällig viele Sommersprossen und gab sich gern onkelhaft. »Es hat Schwierigkeiten wegen seines Bruders gegeben, und Kirwill ist aus dem Kommando geflogen. Jetzt ist sein Bruder in Moskau umgekommen, und Kirwill gehört dem Kommando wieder an.«
    »Kirwill wird versuchen, auf unsere Kosten ein Comeback zu feiern«, sagte Wesley. »Wir haben ausgezeichnete Beziehungen zur New Yorker Polizei, aber sie fällt uns in den Rücken, sobald sie eine

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