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Gorki Park

Gorki Park

Titel: Gorki Park Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz-Smith
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Zimmer. »Sieh dir bloß an, wo sie dich untergebracht haben! In einem Stundenhotel, einem Puff. Schau dir doch die Brandlöcher auf dem Bettvorleger an.
    Und diese geblümte Tapete! Ob sie dir was durch die Blume sagen wollen, Renko?«
    »Du hast gesagt, du seist der Verbindungsmann?« fragte Arkadi auf Russisch. »Du hast erreicht, was du wolltest - die Ermittlungen finden unter deiner Aufsicht statt.«
    »Ich bin Verbindungsmann, damit sie mich im Auge behalten können.« Kirwill sprach weiter Englisch. »Du hast mir Osbornes Namen nie genannt, aber du hast meinen Namen allen anderen genannt. Du hast mich nach Strich und Faden gelegt.« Er sprach langsam und deutlich. »Du legst mich. Sie legt dich.
    Und wer legt sie deiner Meinung nach?«
    »Was soll das heißen?«
    »Du hast mich ein bisschen enttäuscht«, fuhr Kirwill fort. »Ich hätte nicht gedacht, dass du hier mitmachen würdest, nur um nach Amerika zu kommen.«
    »Mitmachen? Das Auslieferungsbegehren … «
    »Auslieferung? Haben sie dir das erzählt?« Kirwill lachte schallend.
    Drei FBI-Agenten, die Arkadi noch nicht gesehen hatte, kamen hereingestürmt und drängten Kirwill gemeinsam mit George aus dem Zimmer. Der Lieutenant hatte Lachtränen in den Augen und war zu sehr damit beschäftigt, sie sich abzuwischen, um Widerstand zu leisten.
    Arkadi rüttelte erneut an der Zimmertür. Sie war noch immer abgesperrt, und diesmal forderten ihn zwei Stimmen auf dem Korridor auf, die Klinke in Ruhe zu lassen.
    Er ging im Zimmer auf und ab. Von der Ecke ein Schritt zum Bad, ein Schritt vom Bad zum Bett und dem Nachttisch, ein Schritt vom Nachttisch zur anderen Ecke, zwei Schritte zu einem doppelflügeligen Fenster mit Blick auf die 29th Street, drei Schritte am Fenster vorbei zu dem Beistelltischchen mit dem Telefon, ein halber Schritt von der Tür zur Couch, zwei Schritte vom Ende der Couch zur vierten Ecke, ein halber Schritt zum Wandschrank, ein halber Schritt vom Schrank zur Kommode und ein weiterer Schritt von der Schleiflackkommode zurück in die erste Ecke. Im angrenzenden Bad gab es ein WC, ein Waschbecken und eine Badewanne, in der sich nur sehr kleine Gäste ausstrecken konnten. Alle Porzellan- und Emailteile schimmerten rosa. Der Teppichboden des Zimmers war olivgrün. Auf pastellblauen Tapeten blühten zartrosa Blumen. Die kremweiß lackierten Stühle und der Schreibtisch wiesen Brandspuren von Zigaretten auf. Ein malvenfarbener Bettüberwurf vervollständigte die Farbenpracht.
    Arkadi wusste selbst nicht, was er von Kirwill erwartet hatte. Er war der Meinung gewesen, sie seien sich in Moskau menschlich nähergekommen - aber hier schienen sie wieder Feinde zu sein. Trotzdem war Kirwill auf eine Weise real, die er bei Wesley vermisste. Arkadi hatte das Gefühl, dieses Hotelzimmer könnte im nächsten Augenblick wanken und wie eine Theaterkulisse zusammenfallen.
    Er war wütend auf Kirwill - und wünschte sich zugleich, Kirwill solle zurückkommen.
    Er ging nervöser als zuvor auf und ab. Im Kleiderschrank hingen nur zwei Kleider, unter denen nicht einmal ein zweites Paar Schuhe stand. Eine Bluse duftete nach Irinas Parfüm. Arkadi drückte sie an sein Gesicht.
    »Mögen Sie Quiz?« Al schaltete den Fernseher ein, als er Arkadi ein Sandwich brachte.
    »Ich mache mir nicht sonderlich viel aus Ratespielen.«
    »Aber diese Show ist Klasse«, versicherte Al ihm.
    Arkadi begriff nicht gleich, worum es auf dem Fernsehschirm ging. Es wurde nicht gespielt; die Teilnehmerinnen brauchten lediglich zu erraten, was die Preise - Toaster, Herde, Urlaubsreisen, Häuser - wert waren. Wissen, Geschicklichkeit und Glück waren ausgeschaltet; einzig und allein Geldgier zählte. Die Einfachheit dieses Showkonzepts war niederschmetternd.
    »Sie sind ein richtiger Apparatschik, was?« fragte Al gekränkt.
    Irina kam in der Abenddämmerung zurück. Sie war mit Paketen und Tüten beladen, die sie lachend aufs Bett warf. Arkadis Ängste verschwanden schlagartig. Sie brachte Leben in das schäbige Hotelzimmer, das nun sogar wieder attraktiv wirkte.
    »Du hast mir gefehlt, Arkascha.«
    Sie hatte Plastikbehälter mit Spaghetti, Hackfleisch, Muscheln und weißer Sauce mitgebracht. Die Sonne ging unter, während sie dieses exotische Gericht mit Plastikgabeln aßen. Arkadi fiel auf, dass er zum erstenmal in seinem Leben in einem Gebäude wohnte, in dem es nicht nach Kohl roch.
    Sie riss die Päckchen und Pakete auf und zeigte ihm stolz die Garderobe, die sie für ihn gekauft

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