Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gorki Park

Gorki Park

Titel: Gorki Park Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz-Smith
Vom Netzwerk:
ein riesiges Museum, aber in Wirklichkeit der Pelzpalast war. Er wurde in ein Amphitheater mit aufsteigenden Pultreihen geführt, das oben mit einem weißen Säulengang abschloss. Auf der Bühne saßen fünf KGB-Offiziere - ein General und vier Obersten - an einem langen Tisch. Im Pelzpalast roch es nach Kadavern.
    Der General sprach mit ironischem Unterton. »Soviel ich gehört habe, handelt es sich hier um eine Liebesgeschichte.« Er seufzte. »Ein einfacher Fall von Staatsinteressen wäre mir lieber gewesen.
    Jedes Jahr kommen Männer aus aller Herren Länder hierher, Arkadi Wassiljewitsch, um an diesen Pulten zu sitzen und siebzig Millionen Dollar für russische Felle auszugeben. Die Sowjetunion ist der größte Fellexporteur der Welt. Das sind wir schon immer gewesen. Unsere führende Position verdanken wir nicht unseren Nerzen, die schlechter als die amerikanischen sind, unseren Luchsen, von denen wir nicht genug anbieten können, oder unseren Karakulschafen, die schließlich nur Lammfelle sind; wir verdanken sie den russischen Zobeln. Zobelfelle sind Gramm für Gramm kostbarer als Gold.
    Wie dürfte die sowjetische Regierung Ihrer Meinung nach auf den drohenden Verlust ihres Zobelmonopols reagieren?«
    »Osborne hat nur sechs Zobel«, wandte Arkadi ein.
    »Ich staune - übrigens schon seit Monaten - darüber, wie wenig Sie wissen. Wie können so viele Männer - der Moskauer Staatsanwalt, der Deutsche Hofmann, Mitarbeiter des Staatssicherheitsdienstes - durch Ihre Schuld tot sein, ohne dass Sie mehr wissen?« Der General rieb sich nachdenklich die Stirn. »Sechs Zobel? Mit Hilfe des Abteilungsleiters im Handelsministerium, Jewgeni Mendel, haben wir festgestellt, dass sein verstorbener Vater, der stellvertretende Handelsminister, dem Amerikaner Osborne bereits vor etwa fünf Jahren geholfen hat, sieben Zobel außer Landes zu bringen. Dabei handelte es sich um gewöhnliche Zobel aus Zuchtkollektiven in der Umgebung von Moskau. Die Mendels haben geglaubt, Osborne könne auf diese Weise keine hochwertigen Tiere züchten. Der junge Mendel hätte niemals gewagt, dem Amerikaner behilflich zu sein, Bargusin-Zobel zu schmuggeln. Das hat er beteuert, und ich glaube, dass er die Wahrheit gesagt hat.«
    »Wo ist Jewgeni Mendel jetzt?«
    »Er hat Selbstmord verübt. Er war ein schwacher Mensch. Der springende Punkt ist jedoch, dass Osborne vor fünf Jahren bereits sieben Zobel durchschnittlicher Qualität besessen hat. Wir rechnen vorsichtigerweise mit fünfzig Prozent Zunahme pro Jahr, so dass er jetzt etwa fünfzig Zobel besitzen dürfte. Mit Hilfe des Sibiriers Kostja Borodin hat er sich sechs weitere Tiere verschafft.
    Bargusin-Männchen. Bei gleicher Fortpflanzungsrate hat Osborne in fünf Jahren über zweihundert hochwertige Zobel - und in zehn Jahren über zweitausend. Damit wäre das historische russische Monopol für Zobel gebrochen. Bürger Renko, weshalb glauben Sie, dass Sie noch am Leben sind?«
    »Lebt Irina Asanowa noch?«
    »Ja.«
    Arkadi begriff plötzlich, was geschehen war. Er brauchte nicht in das Haus auf dem Land zurück - und er würde nicht umgebracht werden. »Dann können Sie uns also brauchen«, stellte er fest.
    »Ja. Jetzt sind wir sogar auf Sie angewiesen.«
    »Wo ist sie?«
    »Reisen Sie gern?« fragte der General, ohne auf seine Frage einzugehen. »Haben Sie sich jemals gewünscht, Amerika zu sehen?«
     
    New York
     
    Wesley war jung und groß, hatte schütteres Haar, ein Gesicht wie ein abgeschliffener Kiesel und trug schwache, bedeutungslose Liebenswürdigkeit zur Schau. Er hatte einen dezenten blauen Anzug mit Weste an. Wesleys Atem, Wangen und Achselhöhlen dufteten nach Limonen und Minze. Während des gesamten Fluges hatte er die Beine übereinandergeschlagen, seine Pfeife geraucht und Arkadis Fragen kaum mehr als mit einem Grunzen beantwortet. Wesley hatte etwas Unbeholfenes und Unreifes an sich, das an ein Kalb erinnerte.
    Die beiden Männer hatten eine Sitzreihe des Flugzeugs für sich. Die meisten anderen Passagiere waren »verdiente Künstler«: Musiker auf Amerikatournee, die über die Uhren und das Parfüm diskutierten, das sie bei der Zwischenlandung in Paris gekauft hatten. Arkadi hatte die Maschine dort nicht verlassen dürfen. Die Passagiere versammelten sich auf einer Seite an den Fenstern, als unter ihnen Land sichtbar wurde - ein Netz von Strassen zwischen dunklen Feldern.
    »Sie verstehen das Wort >Verantwortlichkeit    »Bedeutet es, dass

Weitere Kostenlose Bücher