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Gorki Park

Gorki Park

Titel: Gorki Park
Autoren: Martin Cruz-Smith
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kein Mann großer Leidenschaften, Mr. Osborne; Sie sind nur ein mordender Geschäftsmann. Sie sind ein Narr, Mr. Osborne. Irina verkauft sich Ihnen und schenkt sich mir. Als Geschäftsmann haben Sie nur Anspruch auf die Haut, das Fell, den Pelz, nicht wahr? Darauf verstehen Sie sich natürlich … Wir werden hier auf Ihre Kosten leben und Ihnen ins Gesicht lachen.
    Und wer weiß, wann wir verschwinden werden? Dann haben Sie keine Zobel, keine Irina, gar nichts mehr.«
    »Sie nehmen also mein Hilfsangebot an«, stellte Osborne fest. »Heute ist Mittwoch. Am Freitag werden die Sowjets und ich uns handelseinig - Sie und Irina gegen die Zobel. Gestatten Sie mir, Sie zu retten?«
    »Ja«, sagte Arkadi. Was blieb ihm anderes übrig? Nur Osborne konnte Irina retten. Sobald sie in Sicherheit waren, konnten sie fliehen. Wenn Osborne sie daran zu hindern versuchte, würde Arkadi ihn umbringen.
    »Dann trinke ich auf Ihr Wohl«, fuhr Osborne fort. »In Leningrad habe ich gelernt, wozu Menschen imstande sind, wenn es ums Überleben geht. Sie sind erst zwei Tage hier und haben sich bereits verändert. In weiteren zwei Tagen sind Sie ein Amerikaner.« Er leerte sein Glas mit einem Zug. »Ich freue mich auf die Jahre, die vor uns liegen«, sagte er dabei. »Einen Freund kann man immer brauchen.«
    Im Lift allein brach Arkadi unter dem Gewicht der Wahrheit fast zusammen. Irina war eine Hure. Sie hatte mit Osborne und weiß Gott wem geschlafen, um aus Russland herauszukommen. Sie hatte ihre Beine wie Flügel gespreizt. Und sie hatte Arkadi belogen - hatte mit Vorwürfen und Küssen gelogen -, ihn einen Dummkopf genannt und dann zum Idioten gemacht. Das Schlimmste war, dass er es von Anfang an gewusst hatte. Jetzt waren sie beide Huren. Er in seinen neuen Sachen, kein Chefinspektor und kein Verbrecher mehr - aber was? Arkadi dachte an die drei Toten im Gorki-Park. Und was war mit Pascha? Er erschrak vor den Täuschungsmanövern, auf die er sich eingelassen hatte. Das erste, damit Pribluda die Ermittlungen übernehmen sollte. Das zweite, um sich Irina zu sichern. Und das dritte, damit Osborne sie bekommen konnte.
    Als die Lifttür sich öffnete, durchquerte Arkadi mit gesenktem Kopf die Eingangshalle des Apartmentgebäudes. Ich bin Osbornes Partner, überlegte er sich. Sobald er den Randstein erreichte, fuhr die Limousine vor. Arkadi ließ sich in die Polster fallen und nahm kaum wahr, dass der Wagen sofort wieder anfuhr.
    Trotzdem liebte er sie noch immer. Er war bereit, über die Leichen im Gorki-Park hinwegzusehen. Sie hatte sich nach Amerika gehurt, und er würde huren, damit sie in diesem Land bleiben konnte. Das Hotel Barcelona war die richtige Absteige für solch ein Paar. Sie hatte ihn gebeten, ihr keine Fragen zu stellen - folglich hatte er keine gestellt und sich bewusst keine Gedanken über dieses Thema gemacht. Wie viele Schränke voller Kleider und Pelzmäntel besaß sie? Wie lange war sie bereits in New York?
    Er dachte an die Verhöre zurück. Er war nie weich geworden; er hatte nie ausgepackt. Aber KGB, FBI und alle anderen wussten trotzdem von Irina und Osborne. Wer außer Irina hätte ihnen davon erzählen sollen? Seit wie vielen Jahren schlief sie bereits mit Osborne? Nein, außer Osborne konnte es keine weiteren Männer gegeben haben. Dazu war Osborne zu stolz.
    Trotzdem liebte Irina ihn. Sie war bereit, mit ihm in die Sowjetunion zurückzukehren oder mit ihm in Amerika zu bleiben. Er erinnerte sich an ihre erste Begegnung bei Mosfilm - an ihre schäbige Lammfelljacke und die aufgeplatzten Kunstlederstiefel. Sie hatte also in Moskau mit Osborne geschlafen, aber sie hatte keine Geschenke von ihm genommen. Nicht einmal Geld, obwohl sie oft Hunger gelitten hatte. Sie hatte nur ein Geschenk annehmen wollen: Amerika. Und was hatte er selber ihr geschenkt? Ein mit Ostereiern bedrucktes Kopftuch! Nur Osborne konnte ihr Amerika geben; nur Osborne konnte ihm reinen Wein einschenken. Osborne besaß die Macht des Schenkens.
    Amerika, Russland, Russland, Amerika. Amerika war die beste aller Illusionen. Es war ganz anders, als er es sich vorgestellt hatte. Selbst hier im Lichterglanz New Yorks, wo man sich einbilden konnte, die Dollars mit den Händen greifen zu können, blieb es eine Illusion. Er redete sich ein, er wäre nicht gekommen, wenn er von Irina und Osborne gewusst hätte.
    Aber du hast schon immer von Irina und Osborne gewusst, sagte er sich nüchtern. Was faselst du da von Illusionen?
    Sie war bereit, mit ihm nach
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