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Gorki Park

Gorki Park

Titel: Gorki Park
Autoren: Martin Cruz-Smith
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Osborne.
    Arkadi gehorchte wortlos. Die Schublade enthielt Herrenunterwäsche und Socken. »Hier zieht also jemand ein«, konstatierte Arkadi nüchtern.
    Osborne deutete auf die Schiebetüren des Einbaukleiderschranks. »Öffnen Sie die rechte Tür.«
    Arkadi schob die Tür zur Seite. An der Kleiderstange hingen ein Dutzend neue Hosen und Jacken.
    Trotz der schlechten Beleuchtung erkannte er, dass es sich um Duplikate der Kleidungsstücke handelte, die er im Augenblick trug. »Ich habe alles gleich mehrfach gekauft«, sagte Osborne.
    Arkadi öffnete die zweite Tür. Die andere Schrankhälfte hing voller Kleider, Röcke und Blusen; rechts außen hingen zwei Pelzmäntel, und auf dem Boden standen Damenschuhe und Stiefel.
    »Sie ziehen hier ein«, erklärte Osborne ihm, »Sie und Irina. Sie werden mein Angestellter und bekommen ein gutes Gehalt - sogar ein sehr gutes. Das Apartment läuft auf meinen Namen, aber die laufenden Kosten fürs erste Jahr sind schon bezahlt. Jeder New Yorker würde liebend gern mit Ihnen tauschen. Sie können hier ein ganz neues Leben anfangen.«
    Dieses Gespräch ist unmöglich! dachte Arkadi. Es ist auf unglaubliche Weise abgeglitten!
    »Wollen Sie, dass Irina am Leben bleibt?« fragte Osborne. »Darum geht’s bei dem vorgesehenen Tauschhandel: die Zobel im Tausch gegen Irina und Sie. Irina, weil ich sie will, und Sie, weil sie nicht ohne Sie bleiben will.«
    »Ich denke nicht daran, Irina mit Ihnen zu teilen!«
    »Sie teilen Irina bereits mit mir«, antwortete Osborne. »Sie haben sie in Moskau mit mir geteilt, und Sie haben sie seit Ihrer Ankunft in Amerika mit mir geteilt. An dem Morgen, an dem Sie in Moskau vor ihrer Wohnung mit ihr gesprochen haben, lag ich in ihrem Bett. Sie hat letzte Nacht mit Ihnen geschlafen, und sie hat heute Nachmittag mit mir geschlafen.«
    »Hier?« Arkadi starrte das entsetzlich vielsagende zerwühlte Bett an.
    »Sie glauben mir nicht«, stellte Osborne fest. »Kommen Sie. Sie sind ein zu guter Kriminalbeamter, um so überrascht zu sein. Wie hätte ich James Kirwill jemals ohne Irina kennen lernen sollen? Oder Valeria oder Kostja? Und ist es Ihnen nicht eigenartig vorgekommen, dass Jamskoi und ich Sie und Irina nicht gefunden haben, als Sie sie in Ihrer Wohnung versteckt haben? Wir hätten nicht lange zu suchen brauchen; sie hat mich aus Ihrer Wohnung angerufen. Wie habe ich sie Ihrer Meinung nach gefunden, als Sie Ihren Ausflug an die finnische Grenze gemacht haben? Sie ist geradewegs zu mir gekommen. Sie haben sich diese Fragen wirklich nicht selbst gestellt? Weil Sie die Antworten bereits gewusst haben!
    Ich habe gestanden, Chefinspektor - jetzt sind Sie an der Reihe. Aber das gefällt Ihnen nicht. Nach Abschluss Ihrer Ermittlungen wollen Sie nur ein Ungeheuer und die fein säuberlich aufgereihten Toten vorfinden. Gott verhüte, dass Sie sich etwa selbst entdecken! Aber ich verspreche Ihnen, dass Sie lernen werden, mit sich selbst zu leben. Die Russen setzen Sie und Irina einfach auf ihre jüdische Auswanderungsquote; das tun sie mit vielen Problemfällen, die sie loswerden möchten.«
    Osborne legte seine Pistole auf den Nachttisch. »Ich wollte Sie nicht, aber Irina wollte nicht ohne Sie bleiben. Es war zum Verrücktwerden! Sie hatte sich immer nur gewünscht, hierher zu kommen - und nun wollte sie plötzlich zurück. Ich bin froh, dass Sie ebenfalls hier sind; damit ist alles komplett.« Er holte eine Flasche Stolitschnaja und zwei Gläser aus dem Nachttisch. »Ich finde diese Situation sehr reizvoll. Wer könnte sich besser kennen als ein Mörder und sein Fahnder. Auf dem Gebiet des Verbrechens sind wir stets Partner gewesen.«
    Er schenkte die beiden Wodkagläser randvoll ein und gab eines Arkadi.
    »Und welcher Mörder und sein Fahnder können sich näher stehen als zwei Männer, die sich eine Frau teilen? Wir sind auch Partner auf dem Gebiet der Liebe.« Osborne hob sein Glas. »Auf Irina!«
    »Warum haben Sie die jungen Leute im Gorki-Park ermordet?«
    »Das wissen Sie selbst; Sie haben den Fall gelöst.« Osborne hielt sein Glas noch immer hoch.
    »Ich weiß, wie Sie’s getan haben, aber warum haben Sie’s getan?«
    »Wegen der Zobel, wie Sie recht gut wissen.«
    »Wozu wollten Sie eigene Zobel?«
    »Um Geld zu verdienen. Aber das wissen Sie doch alles!«
    »Sie haben schon soviel Geld.«
    »Um mehr zu besitzen.«
    »Einfach nur mehr?« fragte Arkadi. Er kippte sein Glas auf den Teppichboden, so dass eine dunkle Spirale entstand. »Dann sind Sie
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