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Gorki Park

Gorki Park

Titel: Gorki Park Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz-Smith
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Vertrauens zur Kraft des Volkes. In Wirklichkeit können die Schauspielerinnen in einem Tschechow-Film statt Kopftüchern hübsche Hüte tragen.
    Einmal im Jahr wollen sie einen Film mit schönen Hüten.«
    Arkadi erkannte die Stimme Irina Asanowas, mit der er bei Mosfilm gesprochen hatte. Die anwesenden Schauspielerinnen widersprachen affektiert.
    Nachzügler trafen ein.
    »Ah, Jewgeni, was hast du mir mitgebracht?«
    Eine Tür fiel ins Schloss.
    »Ein verspätetes Neujahrsgeschenk, John.«
    »Handschuhe! Wie aufmerksam von dir. Ich werde sie sofort anziehen.«
    »Trag sie, zeig sie herum und komm morgen vorbei - dann kannst du hunderttausendfür den Export haben.«
    Der Amerikaner hieß John Osborne. Sein Zimmer im Rossija, in der Nähe des Roten Platzes, war vermutlich eine ganze Suite mit Vasen voller Schnittblumen. Im Vergleich zum Rossija war das Ukraina nur ein Bahnhofswartesaal. Osborne sprach ein ausgezeichnetes, korrektes Russisch. Aber Arkadi wollte das Mädchen noch mal hören. Als die erste Seite des Tonbands abgelaufen war, drehte er die Spule um.
    Die gleiche Party, einige Zeit später. Osborne erzählte eine Geschichte.
    »Die Gorki-Gerberei liefert mir heute fertige Handschuhe. Vor zehn Jahren habe ich versucht, Leder aus der Sowjetunion zu importieren - Kalbsleder, um die Spanier und Italiener zu unterbieten. Zum Glück habe ich die Sendung in Leningrad geprüft. Wissen Sie, was ich bekommen hatte? Kutteln, Kaidaunen. Ich habe die Sendung bis zu einem Viehzuchtkollektiv in Alma Ata zurückverfolgt, das am gleichen Tag meine Kalbshäute nach Leningrad und Suppenkaldaunen nach Wogwosdino versandt hatte.«
    Wogwosdino? Aber der Amerikaner konnte nichts von dem dortigen Gefangenenlager wissen, dachte Arkadi.
    » Von den Verantwortlichen in Wogwosdino war zu erfahren, dass ihre Sendung eingetroffen, zu Suppe verarbeitet und mit Begeisterung aufgegessen worden war. Damit war das Kollektiv rehabilitiert. Ich konnte gar keine Kaidaunen haben, weil Russen kein Handschuhleder essen würden. Ich habe über zwanzigtausend Dollar verloren und esse seitdem östlich von Moskau nie mehr Suppe!«
    Nervösem Schweigen folgte nervöses Lachen. Arkadi rauchte und stellte fest, dass er drei Streichhölzer vor sich auf die Tischplatte gelegt hatte.
    »Ich begreife nicht, warum es euch Russen in die Vereinigten Staaten zieht. Des Geldes wegen? Ihr würdet die Erfahrung machen, dass Amerikaner - und seien sie noch so reich - stets irgend etwas finden, das sie nicht kaufen können. Dann sagen sie. > Wir können es uns nicht leisten, wir sind zu arm, um es zu kaufen.< Niemals: >Wir sind nicht reich genug.< Ihr wollt doch nicht arme Amerikaner werden? Hier seid ihr immer reich.«
     
    Arkadi suchte aus den Akten die Angaben zu Osbornes Person:
    John Düsen Osborne, amerikanischer Staatsbürger, geb. 16. Mai 1920 in Tarrytown, N.Y., USA. Nicht Parteimitglied. Ledig. Gegenwärtiger Wohnort New York, N.Y. Erster Aufenthalt in der UdSSR 1942 in Murmansk als Angehöriger einer Beratergruppe im Rahmen des Leih- und Pachtabkommens mit den USA. 1942 - 44 in Murmansk und Archangelsk als vom US-Außenministerium entsandter Berater für Transportfragen; in diesem Zeitraum wertvolle Förderung des antifaschistischen Kriegseinsatzes.
    1948 Ausscheiden aus dem diplomatischen Dienst als Folge einer rechtsradikalen Stimmungsmache in den USA; seither Pelzimporteur aus der UdSSR. Förderer des amerikanischsowjetischen Kulturaustauschs; jährlicher UdSSRBesucher.
    Auf Blatt zwei waren die Filialadressen der Firmen Osborne Pelzimport und Osborne Pelzmoden in New York, Palm Springs und Paris angegeben und die Termine von Osbornes Russlandreisen in den letzten fünf Jahren aufgeführt. Der Amerikaner war zuletzt vom 2. Januar bis 2. Februar in der UdSSR gewesen. Eine mit Bleistift geschriebene Anmerkung war durchgestrichen, aber Arkadi konnte noch lesen: »Persönliche Referenz: I.W. Mendel, Handelsministerium.«
    Auf Seite drei stand: »Siehe >Annalen der sowjetischamerikanischen Zusammenarbeit im Großen Vaterländischen Krieg<, Prawda, 1967.«
    Außerdem: »Siehe Erste Hauptverwaltung, Erste Abteilung.«
    Arkadi erinnerte sich an Mendel. Der Mann hatte den Hummern geglichen, die sich jedes Jahr häuten und dabei immer fetter werden zuerst als Leiter der »Umsiedlung« der Kulaken, dann als Kriegskommissar der Region Murmansk, danach als Direktor der Abteilung Desinformation des KGB und zuletzt als stellvertretender Handelsminister. Mendel war

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