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Gorki Park

Gorki Park

Titel: Gorki Park Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz-Smith
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Limonade hinunterspülte. Auf der Eisbahn übten stämmige Mädchen in kurzen Röcken Tanzschritte nach Schlagern, die ein junger Mann auf einer Ziehharmonika spielte. Die Lautsprecher waren stumm; die taube Alte hatte ihre Schallplatten bereits weggepackt.
    Die Sonne ging hinter ausgefransten Wolken unter. Arkadi schlenderte durch den Park zum Riesenrad.
    Ein altes Ehepaar saß erwartungsvoll in einer Gondel auf halber Höhe. Der picklige Jüngling an der Kasse blätterte in einer Motorradzeitschrift und dachte gar nicht daran, die Bremse wegen zwei Rentnern zu lösen. Als der Wind auffrischte, begannen die Gondeln leicht zu schwanken, und die alte Frau rückte näher an ihren Mann heran.
    Arkadi warf eine Münze auf den Zahlteller. »Aber ich will sofort fahren, verstanden?«
    Das Riesenrad setzte sich in Bewegung und hob Arkadi über die Parkbäume empor. Obwohl der Himmel im Westen noch hell war, brannten die Strassenlampen bereits, und er erkannte deutlich die konzentrischen Kreise der Moskauer Ringstrassen.
    Arkadi lehnte sich in seinen Sitz zurück. Unter ihm erstreckte sich die sanfte Hügellandschaft des Parks, in der er die um diese Zeit unbeleuchtete Milizstation und ein Netz von romantisch verschlungenen Spazierwegen ausmachen konnte. Etwa 40 Meter nördlich des einen Fußwegs, der parallel zur DonskojStrasse und dem Fluss verläuft, waren drei Menschen ermordet worden. Trotz der herabsinkenden Abenddämmerung fand Arkadi die Lichtung mühelos, denn mitten darauf stand eine Gestalt mit einer Taschenlampe.
    Nachdem er eine Runde gemacht hatte, sprang Arkadi ab. Bis zu der Lichtung musste er einen halben Kilometer zurücklegen; er begann mit langen Schritten zu laufen, rutschte gelegentlich auf Eis aus und hatte Mühe, auf den Beinen zu bleiben. Der Weg schlängelte sich einen Hügel hinan.
    Sonja hatte recht: Er hätte regelmäßig seine Morgengymnastik machen sollen. Die verdammte Raucherei! Der Weg wurde steiler. Nach dreihundert Metern waren Arkadis Schritte nur mehr halb so lang wie beim Start; er keuchte laut und hatte das Gefühl, seit Stunden zu rennen. Gerade als er Seitenstechen bekam, verlief der Fußweg wieder eben. Wahrscheinlich war es ohnehin nur Fet, der sich aus irgendeinem Grund noch mal auf der Lichtung herumtrieb.
    Wo der Einsatzwagen vor vier Tagen vom Fußweg abgebogen war, verlangsamte Arkadi sein Tempo und folgte den Fahrspuren auf die Lichtung. Unter seinen Schuhen knirschte Eis. Der Lichtschein war verschwunden, der Unbekannte fort oder klug genug, seine Taschenlampe abzublenden. Da der Schnee weggeschaufelt worden war, fehlten auf der dunklen Lichtung jegliche Kontraste. Arkadi hörte nur sein eigenes Keuchen. Er schlich am Rand der Lichtung von Baum zu Baum, verbarg sich hinter den Stämmen und suchte mit den Augen die schneefreie Fläche Meter für Meter ab. Als er sich eben wieder bewegen wollte, blitzte in der leichten Vertiefung, aus der die Ermordeten geborgen worden waren, eine Taschenlampe auf.
    Arkadi war etwa zehn Meter weit auf die Lichtung hinausgetreten, als das Licht erlosch.
    »Wer ist da?« rief er laut.
    Jemand rannte davon.
    Arkadi nahm die Verfolgung auf. Er wusste, dass sich die Lichtung am anderen Rand zu einem Wäldchen senkte. Dahinter lag ein Abhang, der zu ein paar Lauben mit Schachtischen abfiel, ein weiterer Fußweg, Bäume, ein Steinwall, der Puschkin-Kai und steil zur Moskwa hinunter abfallendes Gelände.
    »Halt, stehen bleiben!« brüllte er. »Miliz!«
    Er konnte nicht gleichzeitig rufen und laufen. Aber er holte auf. Die Schritte vor ihm waren schwer - die eines Mannes. Obwohl Arkadi eine Dienstwaffe besaß, trug er sie nie. Der Flüchtende erreichte das Wäldchen und brach durchs Unterholz. Arkadi überlegte sich, dass der untere Fußweg und erst recht der Kai beleuchtet waren. Als er in das Unterholz eindrang, hielt er sich schützend die Hände vors Gesicht.
    Arkadi duckte sich, weil er eine Bewegung hörte, aber der erwartete Boxhieb blieb aus. Statt dessen bekam er einen Tritt in den Unterleib, klappte zusammen, griff instinktiv nach dem Fuß, verfehlte aber den Angreifer und erhielt einen Schlag in den Nacken. Jetzt traf auch Arkadis Faust offenbar den Magen des anderen. Dann wurde er gegen einen Baum gedrückt, und steifgehaltene Finger bearbeiteten seine Nierengegend. Arkadis Mund fand ein Ohr, und er biss kräftig zu.
    »Son of a bitch!« Der Fluch war eindeutig amerikanisch, und der Druck lockerte sich.
    »Miliz …« Arkadi versuchte zu

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