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Gorki Park

Gorki Park

Titel: Gorki Park Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz-Smith
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Fingern zurückblieb, verfiel Mischa darauf, die Waschmaschine mit Fußtritten zu bearbeiten, bis Arkadi den Stecker herauszog.
    »Scheißding!« Mischa versetzte der stehenden Maschine einen weiteren Tritt. »Scheißkiste!« Er wandte sich an Arkadi. »Und darauf haben wir zehn Monate gewartet - zehn Monate!«
    Er griff nach den Handelsnachrichten und versuchte, die Zeitschrift zu zerreißen.
    »Den Schweinen wird ich’s zeigen! Ich möchte bloß wissen, wie viel sie dafür gekriegt haben!«
    »Was hast du vor?«
    »Ich schreib ihnen!« Mischa warf die Zeitschrift in die Badewanne. Im nächsten Augenblick kniete er davor und riss die Seite mit dem Impressum heraus. »Staatliches Qualitätssiegel? Ich wird dir ein Qualitätssiegel zeigen.« Er knüllte die Seite zusammen, warf sie ins Klo, zog ab und stieß einen Siegesschrei aus.
    »Woher willst du jetzt wissen, an wen du zu schreiben hast?«
    »Pst!« Mischa legte warnend einen Zeigefinger auf die Lippen. Er ließ sich sein Glas zurückgeben.
    »Natascha soll nichts davon erfahren. Sie hat die Maschine eben erst bekommen. Tu einfach so, als sei nichts passiert.«
    Natascha servierte zum Abendessen Frikadellen, Essiggurken, Wurst und Weißbrot. Sie rührte ihren Wein kaum an, strahlte aber trotzdem ruhige Zufriedenheit aus.
    »Auf deinen Sarg, Arkascha!« Mischa hob sein Glas. »Innen mit bestickter Seide ausgeschlagen, mit deinem Namen und deinen Titeln auf einer Goldplatte und mit Silbergriffen im ausgesuchten Holz einer hundertjährigen Zeder, die ich morgen früh pflanzen werde.«
    Er trank zufrieden. »Oder ich bestelle ihn einfach beim Ministerium für Leichtindustrie«, fügte er hinzu. »Das dauert ungefähr ebenso lange.«
    »Tut mir leid, dass das Essen ein bisschen kümmerlich ist«, sagte Natascha zu Arkadi. »Wenn wir jemand hätten, der für uns einkaufen könnte … du weißt schon.«
    »Sie glaubt, dass du sie wegen Sonja aushorchen willst. Wir weigern uns, zwischen euch beide zu geraten.« Mischa wandte sich an seine Frau. »Hast du dich mit Sonja getroffen? Was hat sie über Arkascha gesagt?«
    »Wenn wir einen größeren Kühlschrank hätten«, meinte Natascha, »oder eine Kühl-Gefrier-Kombination.«
    »Sie haben offenbar über Kühlschränke gesprochen.« Mischa warf Arkadi einen Blick voll komischer Verzweiflung zu. »Du kennst nicht zufällig einen Mörder-Mechaniker, der dir einen Gefallen schuldig ist?«
    Natascha zerschnitt ihre Frikadelle in kleine Stücke. »Ich kenne ein paar Ärzte.« Sie lächelte.
    Ihre Hand mit dem Messer erstarrte, als sie endlich den Kontrollknopf neben Mischas Teller liegen sah.
    »Ein kleines Problem, Schätzchen«, sagte Mischa. »Die verflixte Waschmaschine arbeitet nicht richtig.«
    »Oh, das macht nichts. Wir können sie trotzdem vorzeigen, wenn Gäste kommen.«
    Sie wirkte ehrlich zufrieden.
    Der Mörder Zypin, der vor Arkadis Schreibtisch saß, war der Sohn eines Mörders und Goldspekulanten, zu dessen Vorfahren Mörder, Diebe und Mönche gehört hatten. Zypin wurde zu einem »Urka«, einem Berufsverbrecher, erzogen. Er trug die für einen Urka charakteristischen Tätowierungen - Schlangen, Drachen, die Namen seiner Geliebten - in solch großer Zahl, dass sie an Hals und Handgelenken sichtbar wurden. Zypin hatte seinen Komplizen zu dem günstigen Zeitpunkt ermordet, als nur auf Staatsverbrechen die Todesstrafe stand. So war er lediglich zu 15 Jahren Haft verurteilt worden und dann in den Genuss eines Straferlasses am hundertsten Geburtstag Lenins gekommen.
    »Ich sehe die Dinge jetzt langfristiger«, erklärte er Arkadi. »Es gibt mal weniger, mal mehr Verbrechen. Die Richter sind mal nachsichtig, mal streng. Ein Auf und Ab wie bei Ebbe und Flut. Ich bin im Augenblick jedenfalls ganz zufrieden.«
    Zypin war offiziell Maschinist, aber er verdiente sein Geld durch Schwarzhandel mit Benzin.
    Fernfahrer zapften einen Teil ihrer Tankfüllung ab, bevor sie Moskau verließen, drehten ihre Tachometer weiter und begründeten den hohen Verbrauch bei der Rückkehr mit schlechten Strassen und Umleitungen. Zypin verkaufte das Benzin an private Autobesitzer weiter. Die Behörden wussten davon, aber da es in Moskau so wenig Tankstellen gab, durften Schwarzhändler wie Zypin ihre soziale Funktion erfüllen, ohne von staatlicher Seite behindert zu werden.
    »Wir wollen alle nicht, dass die Justiz durchgreift, und wenn ich wüsste, wer die drei Leute im Gorki-Park ermordet hat, würde ich’s Ihnen sofort sagen. Das war

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