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Gorki Park

Gorki Park

Titel: Gorki Park Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz-Smith
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kleinen Wachgebäude der Miliz hinunter.
    »Wie in einem Spionagefilm!« Pascha betrachtete die aufgereihten Tonbandgeräte, die Aktenbündel auf den Schreibtischen und das Feldbett. »Du hast anscheinend wirklich Einfluss, Arkadi.«
    Es war Jamskoi, der mit der Begründung, Arkadis eigenes Büro sei räumlich zu beengt, dafür gesorgt hatte, dass sie ihre Ermittlungen von hier aus weiterführen konnten. Wer vor ihnen hier gearbeitet hatte, war nicht ganz klar, obwohl an einer Wand ein Plakat mit blonden Stewardessen der ostdeutschen Interflug hing. Sogar Fet war sichtlich beeindruckt.
    »Pawlowitsch übernimmt die deutschen Touristen und Golodkin. Ich kenne mich mit skandinavischen Sprachen aus. Als ich mit dem Gedanken gespielt habe, zur Marine zu gehen, habe ich geglaubt, sie könnten mir eines Tages nützen«, vertraute Fet seinem Vorgesetzten an.
    »Tatsächlich?« Arkadi rieb sich den Nacken. Sein ganzerKörper schmerzte von der Begegnung am Abend zuvor. SeinArm tat ihm weh, wenn er sich eine Zigarette anzündete, und erbekam schon Kopfschmerzen beim bloßen Gedanken daran,stundenlangmitaufgesetztem Kopfhörer Tonbandaufzeichnungen abhören zu müssen. »Gut, ich nehme Englisch und Französisch«, entschied er.
    Das Telefon klingelte. Ljudin erstattete Bericht über die Mütze des Unbekannten, die der Chefinspektor ins Labor geschickt hatte.
    »Die Mütze ist neu, billiger Sergestoff, russisches Fabrikat. Am Mützenfutter haben wir zwei graue Haare gefunden. Die Proteinanalyse hat ergeben, dass sie von einem Weißen mit der Blutgruppe 0 stammen, der eine ausländische Frisiercreme auf Lanolinbasis benützt. Die im Gorki-Park abgenommenen Schuhabdrücke zeigen, dass der Mann praktisch neue russische Schuhe getragen hat. Wir haben auch Ihre Abdrücke.«
    »Abgetreten?«
    »Ziemlich.«
    Arkadi bedankte sich und legte auf. Er betrachtete seine Schuhe. Ljudin hatte recht: Sie waren verdammt ausgelatscht.
     
    »Son of a bitch!« hatte der Mann gesagt, als Arkadi ihn gebissen hatte. Das war ein amerikanischer Fluch. Amerikanischer Hurensohn! Arkadi schüttelte den Kopf und legte das erste Tonband auf.
    Die Anforderung so vieler Tonbänder und Protokolle hatte lediglich bezwecken sollen, Pribluda einen Schrecken einzujagen. Dass kein wirklich wichtiges Material herausgegeben werden würde, spielte keine Rolle; es genügte, wenn die KGB-Spitze erfuhr, dass kostbare Unterlagen sich in den Händen einer Konkurrenzorganisation befanden. Arkadi war davon überzeugt, dass der KGB sie schleunigst zurückfordern und gleichzeitig die Ermittlungen an sich ziehen würde. Er hatte noch nicht berichtet, dass der Unbekannte, der ihn verprügelt hatte, vermutlich Amerikaner war, und dass er Schönheits Kopf zu Andrejew gebracht hatte. Das eine konnte er nicht beweisen, und mit dem anderen war noch nichts passiert.
    Er hörte ein Tonband ab, während er das Protokoll eines anderen las. Die Mikrofone waren in die Telefone der Hotelzimmer eingebaut, so dass sowohl Unterhaltungen wie Telefongespräche abgehört werden konnten. Die Franzosen klagten ausnahmslos über das Essen; die Amerikaner und Engländer beschwerten sich über den Service.
    Nach dem Mittagessen in der Cafeteria des Hotels Ukraina rief Arkadi Sonja in der Schule an.
    Diesmal kam seine Frau sogar an den Apparat. »Ich möchte vorbeikommen und mit dir reden«, sagte er.
    »Wir stecken mitten in den Vorbereitungen für den Ersten Mai«, wehrte sie ab.
    »Ich könnte dich nach der Schule abholen.«
    »Nein!«
    »Wann denn?«
    »Das kann ich dir erst sagen, wenn ich weiß, was ich vorhabe. Jetzt muss ich weg.«
    Bevor sie auflegte, hörte er im Hintergrund Schmidts Stimme.
    Der Nachmittag schien endlos, bis Pascha und Fet endlich ihre Mäntel anzogen, ihre Hüte aufsetzten und nach Hause fuhren. Arkadi legte eine Pause ein und ließ sich einen Kaffee bringen. Draußen in der Dunkelheit sah er zwei weitere Wolkenkratzer aus der Stalinzeit: die Lomonossow-Universität im Süden und das Außenministerium gleich jenseits der Moskwa. Die roten Sowjetsterne auf ihren Spitzen leuchteten einander zu.
    Als er danach weiter Tonbänder abhörte, stieß er auf die erste vertraute Stimme. Die Aufnahme stammte vom 12. Januar von einer amerikanischen Party im Hotel Rossija. Die Stimme gehörte einem russischen Gast, einer aufgebrachten jungen Frau:
    »Natürlich wieder Tschechow. Angeblich stets relevant wegen seiner kritischen Einstellung dem Kleinbürgertum gegenüber - und wegen seines

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