Gotland: Kriminalroman (German Edition)
vertickst immer noch den Kram hier.« Sara stieß mit dem Fuß gegen den Stapel.
Beppo saß nun vornübergebeugt auf dem Sofa, weil seine Hände auf dem Rücken in Handschellen steckten.
»Was?«, fragte Beppo.
Fredrik hielt einen grün-gelben Schlafsack in die Höhe, den er zwischen Schmutzwäsche und leeren Bierdosen auf dem Fußboden gefunden hatte.
»Du hast offenbar Gesellschaft gehabt. Oder gehst zu zelten?«
»Wo ist Leo Ringvall?«, fragte Gustav.
»Weiß ich nicht.«
Gustav sah Fredrik an, der den Schlafsack wieder fallen gelassen hatte.
»Wir nehmen ihn erst mal mit.«
»Okay«, erwiderte Fredrik. Plötzlich kam ihm ein Gedanke.
Er streifte Einweghandschuhe über und ging neben dem Schlafsack in die Hocke. Vorsichtig klappte er ihn auf, nahm die Innenseite in Augenschein und schnappte sich etwas mithilfe einer Pinzette.
»Ein langes schwarzes Haar«, triumphierte er.
»Am besten sieht sich Eva hier mal um«, murmelte Gustav.
46
Sara stand vor der Polizeistation in Hemse und betrachtete das in Kalkstein gehauene Wappen von Gotland über dem Eingang: ein Widder vor einer Fahne. Sie sah ein, dass sie Hallman nicht zu dritt verhören konnten, aber warum wurde ausgerechnet sie rausgeschickt? Hatte es mit der Einsiedlerbemerkung zu tun? Was war denn daran so schlimm gewesen. Es war doch ein total harmloser Witz, kein Brüller, das gab sie zu, aber im Grunde …
Sie löste ihren Blick vom Wappen und lief planlos an der weiß verputzten Fassade entlang. Der Regen hatte noch immer nicht aufgehört, war aber in ein penetrantes Nieseln übergegangen. Was war eigentlich mit Ove los? Von allen Kollegen war er ihr immer am nettesten erschienen: ruhig, zuverlässig, erfahren und freundlich. Als Ermittlungsleiter offenbarte er plötzlich eine nörgelige und verkrampfte Seite, die sie bislang nicht bemerkt hatte. Wurde er mit dem Druck nicht fertig? War er auf dieser Position ungeeignet?
Der feine Regen hatte sich wie eine dünne Schweißschicht auf ihr Gesicht gelegt. Sie strich sich die Feuchtigkeit von Stirn und Wangen und ging zurück zum Eingang. Am Dienstag um fünfzehn Uhr hatte sie einen Termin im Söder-Krankenhaus in Stockholm. Es hatte eine gute Portion Beharrlichkeit erfordert, den Eingriff in Stockholm und nicht hier in Visby vornehmen lassen zu können, doch letztendlich hatte sie ihren Willen durchgesetzt. Eine Zeit lang hatte sie gedacht, es wäre vielleicht nur eine fixe Idee von ihr, aber nach dem unangenehmen Schweigen, das auf ihren misslungenen Scherz folgte, war sie froh, dass sie nicht nachgegeben hatte.
An dem Tag, als die sterblichen Überreste von Arvid Traneus auftauchten, hatte sie den Termin bekommen. Es war kein gutes Gefühl, dass sich der Eingriff mit einer weiteren Mordermittlung überschneiden würde, aber sie hatte keine andere Wahl. Die Zeit lief ihr davon. Sie war gezwungen gewesen, ihre Abwesenheit Göran zu erklären, ganz eindeutig hatte sie sich zwar nicht ausgedrückt, aber die Umschreibungen waren wohl leicht zu durchschauen. Als Göran begriff, dass sie mindestens drei Tage fort sein würde, fiel ein Schatten auf sein Gesicht. Er hatte zwar versucht, seine Enttäuschung zu verbergen, aber Sara war sie nicht entgangen.
»Sie werden der Beihilfe zum Mord verdächtigt. Notfalls kriegen wir Sie wegen Hehlerei dran.« Gustav sah Per-Arne Hallman freundlich an.
»Was?« Sie saßen in einem Büro in der Dienststelle in Hemse. Hallman hielt sich mit beiden Händen an der blank polierten Tischplatte fest.
Sein Gesicht war von Drogen und Alkohol aufgeschwemmt, aber die strähnige Frisur erinnerte mehr an einen Rockstar als an einen Faulenzer aus Hemse. Fredrik überlegte, wer ihm wohl die Haare schnitt. Er konnte sich nur schwer vorstellen, dass Hallman jemanden dafür bezahlte, aber auf der anderen Seite war es durchaus möglich, dass selbst ein Loser wie er in einem bestimmten Punkt eitel war.
»Ihnen steht ein Anwalt zu. Soll der anwesend sein, oder können Sie sich vorstellen, das Verhör ohne Rechtsbeistand fortzusetzen?«, fragte Gustav.
»Wenn ihr euch mit mir über Mord unterhalten wollt, will ich ’nen Anwalt, darauf könnt ihr Gift nehmen, ich bin nämlich in keinen Mord verwickelt.« Hallman fingerte mit der linken Hand an seinen Nackenhaaren herum.
»Sie bekennen sich also nicht schuldig?«, fragte Gustav.
»Ich weiß nichts von einem Mord. Sie sind auf dem Holzweg!« Hallman saß jetzt kerzengerade auf dem Stuhl und starrte Gustav mit weit
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