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Gotland: Kriminalroman (German Edition)

Gotland: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Gotland: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Håkan Östlundh
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weshalb die Familie umzog?«
    »Ich glaube, sein Vater wurde arbeitslos. Irgendjemand hat behauptet, er hätte bei der Arbeit was geklaut, und er wurde deswegen rausgeschmissen, aber später habe ich gehört, dass mehrere gehen mussten, weil es in der Firma schlecht lief. Ich weiß nichts Genaues.«
    »Und Leo Ringvall hatte also eine Art Beziehung mit Stefania Traneus.«
    »Ja, als wir in der Neunten waren. Stefania und ich waren gleich alt. Sie war in meiner Parallelklasse.«
    »Hört sich nach einem seltsamen Paar an.«
    »Es hat auch nicht lange gehalten. Aber daran war, glaube ich, ihr Vater schuld. Er hat ihr verboten, ihn zu treffen. Aber sie war total … wie soll ich sagen, total fixiert auf ihn. In dem Alter ist das ja oft so. Wenn die Eltern etwas nicht wollen … Sie wissen schon.«
    Was macht man dann, überlegte Fredrik. Wie hält man eine Fünfzehnjährige davon ab, jemanden zu treffen, den sie unbedingt treffen will?
    »Aber die Beziehung endete trotzdem?«
    »Manche meinten, Stefanias Vater hätte Leo irgendwie eingeschüchtert. Ich weiß allerdings nicht, wie er das gemacht haben soll. Leo war damals ziemlich wild.«
    »Und doch nur ein Jugendlicher«, sagte Fredrik.
    »Das stimmt.«
    Marie lächelte, als sähe sie den Leo von damals vor sich. Hatte Arvid Traneus ihn körperlich angegriffen? Oder hatte er sich an Stefania vergriffen?
    »Wissen Sie noch, mit wem Leo Ringvall damals befreundet war?«
    »Klar, an die meisten erinnere ich mich noch.« Marie Barsk musste nicht lange überlegen.
    »Beginnen wir mit dem engsten Freundeskreis«, sagte Fredrik lächelnd. Im Lager hörte er jemanden nach Marie rufen.
    »Und dann bin ich zufrieden«, fügte er hinzu und notierte die Namen, die sie ihm nannte.

45
     
    Mit dem Telefonhörer dicht am Ohr saß Elin auf dem Sofa und lauschte Mollys heiserer Stimme. Molly sprach fast unhörbar leise.
    »Ich wünschte, ich könnte bei dir sein«, hauchte Molly.
    »Das wünschte ich auch«, sagte Elin. Dann schwieg sie lange.
    Sie hatte jetzt einen klareren Kopf, die Aspirin wirkten allmählich. Dankbar hatte sie gestern das Schlafmittel angenommen. Sie hatte zwar durchgeschlafen, war aber mit schwerem, etwas wirrem Kopf aufgewacht. Also hatte sie die Aspirin eingeworfen. Sie strich sich mit der linken Hand durch die Haare, die dringend mal wieder gewaschen werden mussten, wie sie plötzlich feststellte. Ihr blasses Gesicht spiegelte sich auf der dunklen Mattscheibe des Fernsehers.
    »Ich weiß nicht, was ich sagen soll«, wisperte Molly.
    »Du musst gar nichts sagen.«
    Einerseits stimmte das, andererseits auch nicht. Sie brauchte jemanden, der etwas sagte, der sogar ganz viel sagte, aber sie konnte kein Mitleid vertragen und wollte auch nicht immer wieder durchgehen, was passiert war. Sie hätte jemanden gebraucht, der ihr etwas über Freuds Traumdeutung, die Tücken der Kognitiven Verhaltenstherapie, das letzte Besäufnis oder ein Schnäppchen in einem hippen Designerladen erzählt hätte, irgendetwas. Es wäre ihr sogar lieber gewesen, wenn jemand sie mit seinen Beziehungsgeschichten gelangweilt hätte.
    Seit Molly wusste, dass Elins Mutter ermordet worden war, hatte sie nur ein einziges Mal angerufen. Einmal in zwei Wochen. Das machte Elin wütend. Noch wütender war sie geworden, als sie begriff, dass sie auf der Insel niemanden mehr hatte. Keinen, der ihr etwas bedeutete, und keinen, dem sie etwas bedeutete. Das war vorbei. Ricky natürlich, aber den hatte sie seit vorgestern Abend nicht gesehen, und außerdem rief er auch nicht an.
    »Ich will morgen nach Hause fahren.«
    »Geht das?«
    »Du brauchst nicht so zu flüstern.«
    Molly räusperte sich. »Okay.«
    »Die können mich nicht davon abhalten«, sagte Elin. »Ich habe Heimweh. Ich wohne seit zweieinhalb Wochen bei Ricky. Das … Ich muss einfach nach Hause. Es wird mir hier zu viel.«
    »Es muss total schrecklich sein«, sagte Molly.
    Sie begann im Flüsterton, ertappte sich jedoch selbst und hob die Stimme.
    »Eher bizarr.«
    Sie dachte öfter an ihre Mutter als an ihren Vater. Die gestrige Nachricht hatte sie in die Vergangenheit zurückgeworfen, zurück in das Redners, wo Ricky ihr eröffnet hatte, dass ihre Mutter tot war. Seltsamerweise konnte sie sich nicht an die Einzelheiten erinnern, sondern nur an das damalige Gefühl, und das kam nun wieder in ihr hoch. Es war absolut unerträglich und gleichzeitig wie ein großes, rettendes Schweigen. Ein endloses weißes Meer aus Sprachlosigkeit und

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