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Gott bewahre - Niven, J: Gott bewahre - The Second Coming

Gott bewahre - Niven, J: Gott bewahre - The Second Coming

Titel: Gott bewahre - Niven, J: Gott bewahre - The Second Coming Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Niven
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Mädchen - starrt ihn mit unverhohlenem Hass an. Ein älteres Pärchen weint, hält sich in den Armen. Ganz hinten, in gepflegten, schwarzen Anzügen mit Krawatte und ernster Miene, sieht Jesus Stan Tawse und Don Gerber. Er erinnert sich an ihre Aussagen beim Prozess, ihre Phrasen von »hinreichendem Verdacht«, »Grund zu der Annahme« und »notwendiger Gewaltanwendung«. Dann spricht der Direktor, seine Stimme klingt lauter und förmlicher als gerade eben, und er fragt: »Möchten Sie noch ein paar letzte Worte sprechen?«
    JC sieht, dass ein Mikrofon am Galgen von der Decke herabgelassen wird. Er sieht die Uhr an der Wand: 6:11 Uhr. Es sind kaum mehr als zehn Minuten vergangen, seit sie den Raum betreten haben. Er denkt lange nach, über Ungerechtigkeit, Grausamkeit und den allmächtigen Dollar. Über Scheinheiligkeit und Powerballaden. Über Ego, Ehrgeiz und Politik. Die üblichen Gründe eben, aus denen hier unten was passierte. Jesus sieht die hasserfüllten, trauernden Gesichter und spricht mit sanfter Stimme in das Mikrofon: »Wenn in
dieser Sache die Wahrheit ans Licht kommt, sollte keiner von euch allzu streng mit sich sein. Ihr ... ich meine, die Bibel ist größtenteils Mist, aber ich kann es nicht anders sagen: Leute ... ihr wisst nicht, was ihr tut. Versucht einfach, immer an eins zu denken ...«, er lächelt. »Seid lieb!« Er sieht den Direktor an und nickt.
    Der Direktor blickt zur verspiegelten Scheibe und nimmt seine Brille ab.
    Das Zeichen.
    Hinter dem Spiegel bewegt sich der erste Kolben abwärts, das Natrium-Pentothal fließt durch die klaren Schläuche auf JCs linkes Handgelenk zu. Als das starke Sedativum zu wirken beginnt, fühlt er sich an die wenigen Male erinnert, als er Heroin probiert hat. Einmal in einem Hotelzimmer in ... San Francisco, oder? In diesem Laden, in dem alle Bands absteigen. Das Phoenix? Er saß mit irgendeinem Bassisten kauernd in der Duschkabine, und dieser Typ sagte: »Wenn Gott was Besseres als Heroin erschaffen hat, dann hat er es für sich selbst behalten.« Und JC dachte, dass da vielleicht was dran war - aber eigentlich doch nicht, weil Heroin ja Morphium war und gegen Schmerzen helfen sollte. Und wozu brauchte man ein Schmerzmittel an einem Ort, an dem es keine Schmerzen gab? Aber andererseits, nur weil man irgendwas nicht brauchte, sprach doch nichts dagegen, dass man trotzdem damit sein Bewusstsein erweiterte. Und wer hatte noch gesagt, Gott habe manche Drogen vielleicht auf dem Planeten zurückgelassen, um unsere Evolution zu beschleunigen, und konnten wir jetzt zum Mond fliegen? Die Fetzen von Millionen anderer Gespräche, die er während seiner Zeit hier unten geführt hat, verebben in seinem Gehirn, während sich sein Körper aufs Abschalten vorbereitet. Weitere Kolben fahren abwärts, drücken die beiden verbliebenen Zutaten dieses Drogencocktails seinem rechten Handgelenk entgegen: erst das Chrombromid, ein Muskelrelaxans, das seine Lungen und das Zwerchfell zusammenklappen lässt,
und schließlich das Kaliumchlorid, die Droge, die dafür sorgt, dass das Herz stehen bleibt. Und dann kommt irgendetwas, jedoch nicht das Klischee, dass man dem Licht entgegenstrebt, über seinem Körper schwebt und alle Menschen unter sich im Zimmer sitzen sieht: Es ist nur so ein Gefühl von ... Moment mal. Augenblick mal eben, das tut weh .
    Heilige Scheiße, tut das weh . Selbst durch die Flut der Sedativa kann er spüren, wie das Bromsalz seine Lungen zerfrisst, sein Herz, seine Milz. Alles kollabiert, verflüssigt sich, als würde sein ganzer Körper plötzlich zu Galle. Säure. Es ist, als bekäme man Säure in jeden Spalt der Eingeweide gepumpt. Er versucht zu schreien, kann aber nicht, immer noch so weit bei Bewusstsein, dass er die Qualen erlebt, und doch schon zu tief unten im Brunnen der Sedativa, als dass er irgendetwas unternehmen könnte - wie ein besonders schlimmer, äußerst realistischer Alptraum, wenn man den Raum sieht, in dem man liegt, aber einfach nicht aufwachen kann. Er spürt, dass in seinem Bauch etwas zerreißt, zerbricht, in sich zusammensinkt. Und plötzlich - ein Gefühl, das er nicht kennt - will er unbedingt leben, klammert sich an den letzten Fetzen seines Seins. Das grelle Licht der Scheinwerfer, der geneigte Kopf des Direktors, das schwarze Mikrofon wie ein schreckliches Insekt - er versucht zu schreien, fühlt aber, wie Blut und verflüssigtes Gewebe in seine Luftröhre dringen. Er atmet seine eigene, kollabierende Lunge ein, spürt einen

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