Gott bewahre - Niven, J: Gott bewahre - The Second Coming
zu trollen. »Ich hab bloß versucht, das hier zu verstecken.« Er hält eine mit KATHOLISCHE KIRCHE: NEUZEIT gekennzeichnete Akte in die Höhe. »Glaubst du, Er will so was lesen? Also, ich bitte dich.«
»Kommt schon, ihr zwei, vertragt euch«, geht Jeannie dazwischen, als ihr Telefon klingelt. »Seht einfach zu, dass ihr vorwärtskommt. Und es hat gar keinen Zweck, irgendwas zu verstecken. Er wird das alles lesen.« Dann sagt sie ins Telefon:
»Jep?« Jeannie hört einen Augenblick zu. »Ah-ha. Jep. Okay.« Sie legt den Hörer zurück. Seb und Lance blicken sie erwartungsvoll an.
»Er ist auf dem Weg«, sagt Jeannie.
Gott schreitet den Mittelgang des Hauptbüros entlang, strahlend, Schultern klopfend, Hände abklatschend, hier ein Hallo, da ein Hallo, bleibt stehen, um mit den Leuten in ihren Bürowaben zu reden. Auf Erden würde man Ihn wohl für Mitte Fünfzig halten, und Er ist ... attraktiv erfasst es nicht einmal annähernd. Ein gottverdammter Herzensbrecher mit Filmstarqualitäten ist Er. Sein Haar, früher schwarz wie Motoröl, ist jetzt von silbernen Strähnen durchzogen. Silberne Stoppeln auch in Seinem Siebentagebart. Und diese Augen: so hell, strahlend blau, das Blau des seichten Wassers in einer tropischen Lagune an einem Sommertag zur Mittagsstunde. Nach einem kurzen Plausch nimmt Gott Seine Angelrute und geht weiter den Korridor entlang.
Er trägt Freizeitkleidung: kariertes Hemd, eine Baumwollweste, in deren Taschen Er allerlei Krimskrams gestopft hat, auf dem Kopf einen abgenutzten Schlapphut, an dem leuchtend bunte Anglerfliegen und Köder stecken. In der einen Hand hält Er Angel und Angelkasten, in der anderen baumeln drei fette, perfekt gesprenkelte Forellen an einer durch die Kiemen gezogenen Schnur.
»Hi, Markus!«, ruft Gott dem schwarzen Jungen aus dem Postraum zu. »Wie steht’s, mein Sohn?«
»Steht wie’ne Eins, Boss!«, erwidert Markus und greift sich zwischen die Beine. Gott lacht. Gott liebt die Schwarzen.
Er schwingt die Tür zu seinem Vorzimmer auf. »Schätzchen, ich bin zu Hause!«, sagt Er und knuddelt Jeannie, mit der Er für sein Leben gern flirtet.
»Willkommen zurück, Herr!«, begrüßt ihn Jeannie.
»Habt ihr mich vermisst?«
»Und ob wir das haben.«
»Hi, Leute«, begrüßt Gott Seb und Lance. »Wie läuft’s?«
»Bestens!«, strahlt Seb, nervös.
»Hey«, sagt Lance und fährt mit der Hand über Gottes schäbige Baumwollweste, » todschickes Outfit. Eigentlich steh ich ja nicht auf John Deere, aber das hier ...«
Gott lacht. »Was du nicht sagst.«
»Und wie war Euer Urlaub?«, fragt Jeannie.
»Oh, fantastisch. Einfach fantastisch. Du hattest völlig Recht. Bis zu meinem nächsten Urlaub werd ich nicht wieder so lang warten.«
»Mmmm.« Beim Gedanken daran, wie schnell sich Seine Ansicht vermutlich ändern wird, lächelt Jeannie gequält. Es tut ihr weh, Ihn in so guter Stimmung zu sehen, wo sie doch weiß, dass Ihm die bald gründlich verhagelt wird.
»Oh, hier ...« Gott hält die Forellen hoch und reicht sie ihr. »Für dich. Pinsel sie einfach mit ein wenig Butter ein und würz sie mit Salz und Pfeffer. Danke, Seb«, sagt Gott und nimmt den dampfenden Kaffeebecher mit der Aufschrift ICH BIN DER Boss entgegen. »Schieb sie bei 180 Grad für fünfzehn Minuten in den Ofen. Wenn sie fertig sind, gib etwas Zitronensaft darüber. Mmmm!« Gott küsst sich die Fingerspitzen. »Ich hab sie die ganze letzte Woche frisch aus dem Fluss zubereitet. Na schön, was hab ich verpasst?«
»Nun ja«, sagt Jeannie, während sie in Gottes Büro vorausgeht. Sie öffnet die Schwingtüren: Das Büro hat die Größe eines Fußballfeldes und ist zugebaut mit Kartons, die sich zu regelrechten Skylines stapeln.
»Ach du Scheiße«, sagt Gott und pustet in seinen Kaffee. »Die da unten sind aber ganz schön fleißig gewesen, was?«
»Mmm-hmmm«, nickt Jeannie, Seinem Blick ausweichend. »Also, ein Großteil des älteren Zeugs befindet sich in diesen Akten, die aktuelleren Daten auf Disketten, CDs, Videobändern und auf Eurer Festplatte.«
»Bitte was ?«
Gott lernt schnell. Schneller als jeder andere. Unter Jeannies Anleitung braucht Er vielleicht anderthalb Tassen Kaffee, bis Er all diese Technologien im Griff hat, die aufgekommen sind, seit Er sich Urlaub genommen hat: Telefone, E-Mail, Computer, CDs, DVDs, Fernsehen und Ähnliches. Kurz beschäftigt Er sich sogar mit dem Faxgerät, einer inzwischen überflüssigen Technologie des 20. Jahrhunderts. All das coole
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