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Gott geweiht

Gott geweiht

Titel: Gott geweiht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.E. Lawrence
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Als Karen krank war, haben sie mir die doppelte verschrieben.«
    Lee steckte das Tablettenröhrchen wieder weg. »Das Zeug ist teuer.«
    Nelson lachte – ein kurzes freudloses Bellen. »Wem sagst du das.«
    Lee schaute aus dem Fenster auf die Autos und Passanten auf der Tenth Avenue. Früher war er einer dieser normalen Menschen da draußen mit einem normalen Leben gewesen, bevor die Depression ihn gepackt und niedergeschmettert hatte.
    In der Depression sah plötzlich alles ganz anders aus. Es war seltsam, die Leute weiter vorbeieilen zu sehen, ihr Leben unberührt, während es ihn schon all seine Willenskraft kostete, nur aus dem Bett aufzustehen. Er beneidete sie, glaubte aber auch, dass er etwas erkannt hatte, was ihnen auf ewig verschlossen bleiben würde. Er hatte ins Herz der Dinge geblickt, in die Tiefen der Hölle, und hatte es irgendwie lebendig wieder zurückgeschafft, verändert vielleicht – verändert, aber lebendig.
    Er spürte eine Hand auf seiner Schulter und drehte sich zu Nelson um, der hinter ihm stand. Bildete Lee es sich nur ein, oder schimmerten seine blauen Augen feucht? Es war schwer zu erkennen, da der Professor im Gegenlicht stand.
    »Ich sehe schon, dass ich dich nicht umstimmen kann. Also lass mich nur eines sagen. Sieh dich vor, Lee.«
    »Versprochen.«
    »Gut. Und jetzt geh und schnapp diesen Dreckskerl.«
    Lee schaute abermals auf die Straße hinab. Irgendwo in dem Menschenmeer, mit einem Gesicht, das in der Menge nicht auffallen würde, und Schritten, die inmitten von hundert anderen auf dem Bürgersteig hallten, ging ein Mörder um, der nur eines im Sinn hatte – sein nächstes Opfer. Lee schwor sich im Stillen, dass er alles tun würde, was in seiner Macht stand – koste es, was es wolle –, um sich zwischen diesen Mörder und das Ziel seines kranken Begehrens zu stellen.

KAPITEL 7

    »Wissen Sie«, bemerkte Detective Butts, »all dieser Hokuspokus löst keine Fälle. Dafür muss man sich schon die Füße wund laufen.«
    »Ja, ja«, erwiderte Lee. Er hatte das alles schon oft gehört und war es leid, sich Cops gegenüber rechtfertigen zu müssen. Er war kein offizielles Mitglied der Polizeitruppe – hatte nicht die Akademie besucht und besaß einen Dienstausweis, der ihn lediglich als zivilen Berater der NYPD auswies. Jemand wie er wurde daher nicht unbedingt in den engeren Kreis der uniformierten Bruderschaft aufgenommen.
    Es war der nächste Morgen, sie standen vor einem Untersuchungsraum im Büro des Leichenbeschauers und warteten auf die Pathologin, die Marie Kellehers Obduktion durchgeführt hatte. Sie kam hereingeeilt und entschuldigte sich für ihre Verspätung. Gretchen Rilke war ein Blickfang, blaue Augen, zartrosa Wangen, dichte, blond gefärbte Haare und dazu ein ganz leichter Schweizer Akzent.
    »Ich habe in einer Konferenzschaltung gesteckt, die einfach kein Ende fand«, erklärte sie und strich sich eine unnatürlich hellblonde Strähne aus den Augen. Mit einer Hand zog sie eines der Kühlfächer des Leichenschauhauses auf, eine übergroße Schublade, die mühelos auf Metallrollen herausglitt. Mit der anderen Hand deckte die Pathologin das Laken auf, das Maries Leiche bedeckte, und entblößte deren Hals. Marie lag so still und reglos da, wie Lee sie beim ersten Mal gesehen hatte – doch obwohl ihre blasse Haut bläulich schimmerte, war es noch immer schwer, den Gedanken zu akzeptieren, dass sie tot war.
    »Sehen Sie die Blutergüsse?«, fragte Gretchen.
    Lee betrachtete den breiten, purpurfarbenen Ring um Maries Hals. Er wirkte jetzt dunkler, was an der grellen Neonbeleuchtung liegen mochte – doch Lee wusste, dass Blutergüsse sich nach dem Tod verstärken oder sogar überhaupt erst zeigen konnten. Jetzt ließen sich im hellen Licht etliche separate Quetschungen erkennen.
    »Ja«, sagte Lee.
    »Es deutet alles darauf hin, dass er die Position seiner Finger verändert hat, wahrscheinlich mehrmals.«
    »Dann hat er sie also noch ein paarmal Luft holen lassen?«, fragte Butts.
    Die Pathologin nickte. »Ja. Und der Kehlkopf ist nicht beschädigt. Das ist ziemlich zartes Gewebe und wird bei Strangulation oft zerstört. Doch hier finden sich keine Verletzungen des Kehlkopfs.«
    »Das bedeutet also, dass er minimale Kraft einsetzt«, sagte Lee, »gerade genug, damit sie das Bewusstsein verliert. Und dann wartet er, bis sie wieder aufwacht, und beginnt von Neuem.«
    »Das stimmt mit den physischen Befunden überein«, bestätigte Dr. Rilke.
    »Scheiße«, murmelte

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