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Gott geweiht

Gott geweiht

Titel: Gott geweiht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.E. Lawrence
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    Er starrte darauf, dann reichte er das Handy an Chuck.
    »Was hat das zu bedeuten?«, fragte Chuck, nachdem er den Text gelesen hatte.
    Lee berichtete ihm von der Textnachricht, die er tags zuvor erhalten hatte.
    »Deine Schwester?«, sagte Chuck verwirrt.
    »Worum soll es sich sonst drehen? Laura trug ein rotes Kleid, als sie verschwand.«
    »Aber das weiß niemand außer …«
    »Ganz genau. Wie hat er das herausgefunden?«
    »Haben wir es denn wirklich mit demselben Kerl zu tun?«, wandte Chuck ein. »Woher wissen wir, dass diese Nachrichten vom – vom Mörder stammen?« Er widerstand dem Drang, den Spitznamen zu benutzen, den Butts dem Mörder angehängt hatte. Er fand, »der Schlitzer« klinge reißerisch und geschmacklos.
    »Wissen tun wir es nicht«, antwortete Lee, aber im Stillen hegte er keinen Zweifel.
    Was keiner von ihnen beiden aussprach, war die unvermeidliche Schlussfolgerung daraus: Wenn der Schlitzer davon sprach, er würde Lees Schwester beobachten, musste Laura noch am Leben sein.

KAPITEL 24

    »Wer von uns kann ehrlichen Herzens behaupten, dass er noch nie Gewaltphantasien hatte?«
    John Paul Nelson ließ seinen Blick über die versammelten Studenten schweifen, die ihn voller Unbehagen ansahen, so als hätte er ihnen persönlich vorgeworfen, kriminell zu sein.
    Lee saß hinten im Vorlesungssaal und schaute zu, wie Nelson die jungen Gesichter der Studenten musterte. Es war Montagmorgen, und heute lief die Heizung auf Hochtouren. Von Zeit zu Zeit zischte heißer Dampf aus den Heizkörpern an den Wänden. Sobald die Vorlesung zu Ende war, hatte Lee vor, Nelson von Chucks Bitte zu berichten, dass er sich ihrem Ermittlungsteam anschließen solle. Er hatte tags zuvor erfolglos versucht, Nelson telefonisch zu erreichen – er wusste, dass Nelson gelegentlich sowohl sein Telefon als auch seinen Anrufbeantworter abschaltete.
    »Niemand meldet sich?«, fuhr Nelson fort und versuchte mühsam, ein Grinsen zu unterdrücken. »Sie hatten also alle an irgendeinem Punkt in Ihrem Leben eine Gewaltphantasie. Gut – dann werden Sie meinen nächsten Ausführungen folgen können.« Er griff nach der Fernbedienung und richtete sie auf den Diaprojektor.
    Ein Klicken, und ein vertrautes Gesicht erschien auf der Leinwand – die verschämten jungenhaften Züge von Jeffrey Dahmer, mit seinen traurigen Dackelaugen und dem blonden Pony. Ein Raunen erhob sich unter den Studenten und verebbte augenblicklich wieder, als Nelson sich zu ihnen umdrehte.
    »Ich sehe, Sie haben ihn bereits erkannt. Stellen Sie sich folgende Frage – was unterscheidet ihn von uns?«
    Die Blondine reckte zögernd ihren Arm hoch.
    »Ja?«, sagte Nelson.
    »Äh – nichts, Sir.«
    »Nichts? Sie meinen, Sie haben keine Antwort?«
    Sie räusperte sich und schob eine Strähne ihres blonden Haars aus den Augen. »Nein, Sir, ich meine nichts im Sinne von ›nichts unterscheidet uns von ihm‹.«
    »Das ist eine interessante Sichtweise. Könnten Sie das vielleicht näher erläutern?«
    Die Studentin rutschte auf ihrem Sitz vor, und ihre Finger klammerten sich um ihr Notizbuch.
    »Was ich meine, ist, dass ihre Ähnlichkeiten mit uns größer sind als die Unterschiede. Ich meine, sie sind anders, aber die Unterschiede sind graduell, nicht in der Art begründet, wenn man so will.«
    Nelson zog eine Augenbraue hoch. »Alle Achtung, Ms. Davenport – ich selbst hätte es nicht besser sagen können.«
    Lee lächelte. Bei all seiner Arroganz war Nelson doch immer bereit, Studenten dafür zu loben, wenn sie zu ihrer eigenen Meinung standen. Lee hatte Dahmers Gesicht noch nie wirklich studiert, doch jetzt, wenn er ihn genau betrachtete, kam er ihm verloren vor – so verloren wie ein kleiner Junge, der von seinen Eltern verlassen wurde –, was natürlich auch auf ihn zutraf.
    Nelson räusperte sich. »Mr. Dahmer war kein Außerirdischer, keine wissenschaftliche Kuriosität, keine exotische Spezies.«
    Er hielt inne und sah Ms. Davenport an, die mit verzückter Ergebenheit zu ihm aufblickte.
    »Von gleicher Art«, fuhr er fort. »Ich möchte, dass Sie sich alle Ms. Davenports treffende Beschreibung durch den Kopf gehen lassen. Wir sind alle von gleicher Art – selbst die Entwürdigten, Verachteten oder Entrechteten.«
    Er kehrte wieder zum Diaprojektor zurück und nahm abermals die Fernbedienung. Ein Klicken, und Dahmers Gesicht verschwand, wurde ersetzt von einer bunten Illustration. Zwei ineinander verschlungene Stränge – einer rot, der andere

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