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Gott geweiht

Gott geweiht

Titel: Gott geweiht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.E. Lawrence
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mit Papadams gütlich, papierdünnem indischen Fladenbrot mit Pfefferkörnern. Als Lee das Restaurant betrat, winkte Eddie ihm zu.
    »Wie läuft’s, Chef?«, begrüßte er ihn und schob sich ein Stück Papadam in den Mund. Eddie war guter Laune. Allerdings war Eddie in der Öffentlichkeit immer guter Laune – oder tat zumindest so.
    »Nicht schlecht«, sagte Lee und setzte sich ihm gegenüber. »Wie geht es dir?«
    »Oh, bestens. Du kennst mich ja – ich lande immer auf den Füßen.«
    Lee wusste, dass das nicht stimmte – es war ein Selbstmordversuch gewesen, durch den Eddie zu Lees Bettnachbar im St. Vincent’s geworden war. Eddie hatte sich die Pulsadern aufgeschnitten, sich auf sein Bett im Wohnheim gelegt und auf den Tod gewartet. Er war allerdings noch nicht verblutet, als sein Zimmernachbar ihn gefunden hatte. Als Lee ihn kennenlernte, waren seine Handgelenke noch immer dick verbunden gewesen und Eddie auf einer täglichen Dosis Haldol.
    Lee musste unwillkürlich auf Eddies Handgelenke geguckt haben, denn Eddie sah ihn durchdringend an.
    »Stimmt irgendwas nicht, Chef?«
    »Nein, ich habe nur nachgedacht.«
    »Ach ja? Worüber?«
    »Darüber, wie die Umstände Menschen zusammenführen. Ich meine, wenn du nicht mein Zimmergenosse im St. Vincent’s gewesen wärst, dann würden wir beide jetzt nicht hier sitzen.«
    »Wir sind schon zwei Irre, was? Ich nehme das Vindaloo, extrascharf«, sagte Eddie zu dem wartenden Kellner, ohne in seinem Redefluss zu stocken.
    Der Kellner notierte es auf seinem Bestellblock und wandte sich an Lee: »Und für Sie, Sir?« Er war ein schlanker, gut aussehender Inder mit sehr dunkler Haut und einem dicken Schopf pechschwarzer Haare.
    »Ich kann einem Korma nie widerstehen«, sagte Lee und klappte die Speisekarte zu. »Danke.«
    »Sehr wohl, Sir«, erwiderte der Kellner. Er sammelte die Speisekarten ein und verschwand in der Küche.
    Nachdem der Kellner gegangen war, beugte sich Eddie zu Lee und senkte seine Stimme.
    »Ähm, hast du ihn wieder?«
    »Was?«
    »Du weißt schon – den Drang.« Eddie meinte Selbstmordgedanken, doch er nannte sie nie beim Namen.
    »Nein, in letzter Zeit nicht – Gott sei Dank«, antwortete Lee. Er musterte Eddie. »Wie steht’s mit dir?«
    »Nee … mir geht es bestens!«, erwiderte Eddie ein wenig zu eifrig. »Stark wie ein Ochse, du kennst mich ja.«
    So als wolle er es beweisen, schlug er sich hart mit der flachen Hand auf seinen dicken, aber festen Bauch. Lee glaubte ihm jedoch nicht, denn er spürte in Eddie heute eine noch größere Rastlosigkeit als sonst – eine beunruhigende, leichtsinnige Energie.
    »Nimmst du auch dein Lithium?«
    »Klar doch!«, entgegnete Eddie ein wenig zu eilig. Lee war besorgt, doch er bewegte sich auf dünnem Eis. Etwas sagte ihm, wenn er Eddie weiter wegen seiner geistigen Gesundheit bedrängte, würde sein Freund sich völlig verschließen. Eddie war ein phantastischer Zuhörer, und sie hatten einander in jenen düsteren Wochen im St. Vincent’s viel anvertraut. Eddie hatte keine Probleme mit der Rolle des Vertrauten, aber ihn dazu zu bekommen, über sich selbst zu reden, war eine ganz andere Sache. Er hatte gern die Zügel in der Hand – er ließ sogar willentlich zu, dass sich seine bipolare Störung verschlimmerte, weil er die manischen Phasen liebte. Während jener Wochen im St. Vincent’s hatte Eddie von dem Gefühl der Freiheit erzählt, von der Energie und der Macht, der süßen Illusion der Allmacht. Es war nicht schwer zu verstehen, wie sich jemand wie Eddie daran gewöhnen konnte, die depressiven Phasen seiner Krankheit durchzustehen, nur damit er zu dem berauschenden Wirbelwind der Manie zurückkehren konnte.
    »Hör zu, ich glaub, ich hab da was für dich«, sagte Eddie, während er den letzten Rest des Papadams verschlang.
    »Das sagtest du bereits.«
    »Oh, nicht die Sache, derentwegen ich dich letztens angerufen habe – das hat nichts ergeben. Aber das hier ist wirklich was.«
    »Was ist es denn?«
    »Ein Typ. Ein Typ, der möglicherweise was gesehen hat.«
    »Ach ja? Dieser Typ – wer ist das?«
    Eddie sah sich im Restaurant um, als würde er nach Spionen Ausschau halten, doch die einzigen anderen Gäste um diese Zeit waren zwei junge Verliebte, die am anderen Ende des Speiseraums Händchen hielten.
    »Dieser Typ ist obdachlos, okay? Treibt sich hauptsächlich im Prospect Park herum. Bei einem Prozess würde er keinen guten Zeugen abgeben, aber – na ja, red mal mit ihm. Schau, was du von

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