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Gott hat hohe Nebenkosten: Wer wirklich für die Kirchen zahlt

Gott hat hohe Nebenkosten: Wer wirklich für die Kirchen zahlt

Titel: Gott hat hohe Nebenkosten: Wer wirklich für die Kirchen zahlt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Müller
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Deutschland seien, desto weniger hätten sie mit der christlichen Kirche zu tun.
    Noch 1970 waren 93,6 Prozent der deutschen Bevölkerung evangelisch oder katholisch und nur 3,9 Prozent ohne Religionszugehörigkeit. 1987 waren dann schon 15,5 Prozent nicht mehr Mitglied einer Kirche. Nach der Wiedervereinigung gab es in Gesamtdeutschland 22,4 Prozent Konfessionslose und 72,3 Prozent Christen. Heute geben 34 Prozent der Deutschen an, ohne Bekenntnis zu sein.
    In größeren deutschen Städten zeigt sich bereits folgender Trend: Wo bei den zwischen Sechzig- und Neunzigjährigen noch über sechzig Prozent Mitglied einer Kirche sind, sind es bei den Menschen zwischen dreißig und sechzig Jahren nur noch etwa die Hälfte. Bei den unter Dreißigjährigen sind inzwischen weniger als ein Drittel noch Katholiken oder Protestanten. Die Zahl der Taufen geht seit Jahren kontinuierlich zurück, außerdem ist die Zahl der Kirchenaustritte seit Jahren konstant hoch. Allein im Jahr 2010 sind in Deutschland 325   000 Menschen aus den christlichen Kirchen ausgetreten. Wenn sich die Zahlen so weiterentwickeln, wird die Mehrheit in Deutschland schon in zehn bis zwölf Jahren nicht mehr Teil einer christlichen Kirche sein.
    Im öffentlichen Leben findet sich diese Entwicklung allerdings nicht wieder. Konfessionelle Sozialeinrichtungen gibt es weiterhin im ganzen Land und es werden sogar mehr: Die Zahl der christlichen Kindergärten, Schulen und Altenheime steigt. Wie passt das zusammen?

3.
Steuern für Gott
    Woher das Geld kommt
    Zurück in der Elternrunde im Herbst 2012. Bei Peer Jung klingelt das Telefon, die Eltern unterbrechen kurz das Gespräch. Nach einer Minute ist er wieder am Tisch. »Entschuldigung, da musste ich kurz rangehen. Hätte ja der Bischof sein können«, lacht er und berichtet dann, was in Rauschendorf passiert ist, nachdem die Gesprächsversuche mit der Kirche gescheitert waren. »Tatsächlich haben wir erst gedacht, wir können die Kirche mit unseren Argumenten überzeugen. Aber als wir so nicht weiterkamen, haben wir uns besser informiert.«
    Als die Eltern im Herbst 2011 anfangen, sich näher mit ihrem Kindergarten zu beschäftigen, erfahren sie schnell ein entscheidendes Detail: Zwar ist die katholische Kirche Träger der Einrichtung und trifft deshalb die Personalentscheidungen. Doch sie gibt finanziell überhaupt nichts zum Kindergarten dazu. Es zahlen: das Land, die Kommune und die Eltern selbst. Zu einhundert Prozent. »Plus zwei Prozent Verwaltungspauschale, also einhundertzwei Prozent!«, konkretisiert Peer Jung. Auch das Gebäude gehöre der Stadt. Die Kirche habe lediglich das Gehalt für eine Praktikantenstelle bezahlt. Sie sei schon sehr überrascht gewesen, fügt Alice Ernst an. »Ich dachte ursprünglich, ein katholischer Kindergarten wird auch aus unserer Kirchensteuer finanziert.« Inzwischen wissen sie und die anderen Eltern, dass das nicht so ist.
    Kein Kindergarten, keine Schule, kein Krankenhaus, kein Altenheim in Trägerschaft der christlichen Kirchen und ihrer Wohlfahrtsverbände wird zum Hauptteil aus der Kirchensteuer finanziert. Stattdessen zahlt die Allgemeinheit und damit auch all diejenigen, die nicht Mitglied einer Kirche sind. Wie kommt das?
    Es gibt sehr wenige Menschen, die sich mit der Zuwendung staatlicher Gelder an kirchliche Einrichtungen ausführlicher beschäftigt haben als Carsten Frerk. Der bekennende Atheist arbeitet als Politikwissenschaftler, Publizist und Dozent in Berlin. 2009 fuhr er mit einem Bus durch Deutschland, auf dem stand: »Es gibt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keinen Gott«. Mit dieser Kampagne warben er und andere Atheisten dafür, dass nicht religiöse Menschen in öffentlichen Debatten mehr Raum bekommen. »Kirchenkritiker« möchte Carsten Frerk trotzdem nicht genannt werden, lieber »Demokratiekritiker«. Vor allem aber hat Carsten Frerk das »Violettbuch Kirchenfinanzen« geschrieben. Auch wenn es im Internetauftritt der evangelischen Kirche heißt: »Das ist eine Streitschrift und kein Sachbuch«, kommen die Vertreter der Kirchen nicht umhin, Frerks Rechercheleistung anzuerkennen. »Er ist ein kundiger Mann«, sagt der Finanzchef der evangelischen Kirche in Deutschland, Oberkirchenrat Thomas Begrich, über ihn.
    Carsten Frerk kommt gerade vom Sommerfest eines Kleingartenvereins in Berlin. Das Thema Kirchenfinanzen reizt ihn mehr. Monate und Jahre haben Carsten Frerk und seine Kollegen über Haushaltsplänen gebrütet, um eine

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