Gott hat hohe Nebenkosten: Wer wirklich für die Kirchen zahlt
ist Abend geworden.
André Kucza arbeitet seit 2003 im Kreiskrankenhaus. Schon als er dorthin kam, machte die Klinik Jahr für Jahr Verluste. Im Jahr 2008 beschloss der Landkreis deshalb, dieses und ein weiteres Spital zu verkaufen. Es gab eine Ausschreibung, die Klinikkonzerne Rhön und Sana bewarben sich – und die Kirche. Sie machte das beste Angebot – und gewann. Ihr Ziel: Die beiden Krankenhäuser sollten mit einer diakonischen Klinik aus der Nähe in einem Neubau untergebracht werden und unter Trägerschaft der Diakonie fusionieren. Schon in Vorbereitung auf dieses Großprojekt übernahm die proDiako die Geschäftsführung der Kreiskrankenhäuser. Die proDiako ist Teil der Diakonie und damit der evangelischen Kirche; sie ist, was man heute einen gemeinnützigen Gesundheitskonzern nennt. Zu ihr gehören zehn Krankenhäuser, sieben stationäre und drei ambulante Pflegeeinrichtungen sowie zwei Rehaeinrichtungen. 6500 Mitarbeiter erwirtschafteten 2009 einen Jahresgesamtumsatz von 370 Millionen Euro.
»Ich glaube, der größte Teil der Bevölkerung denkt, die Kirche gibt das letzte Hemd; ein kirchlicher Arbeitgeber, da sind wir immer gut beraten. Aber die sanieren genauso knallhart wie die anderen, das kann ich jetzt wirklich aus Erfahrung sagen.« André Kucza und seine Kollegin haben am Tisch Platz genommen. »Das hätte uns mit einem anderen, privaten Träger nicht anders getroffen. Es wird durchsaniert, es werden Abläufe reorganisiert, es wird versucht, die Gehälter zu drücken. Sie machen alles, was ein privater Arbeitgeber auch machen würde.« Schwester Sigrid pflichtet ihm bei: »Ich habe Existenzängste. Das, was hier passiert, hat für mich mit Gemeinnützigkeit nichts zu tun.«
André Kucza erinnert sich noch gut, wie es war, als der neue Arbeitgeber sich bei ihnen vorstellte. »Die proDiako wollte sofort die Gehälter um acht Prozent absenken. Natürlich nur vom Pflegepersonal. An die ›Leistungsträger‹, wie die Diakonie die Ärzte nennt, wollte man nicht ran.« Neben dem Vorschlag zur Tarifabsenkung habe es bald eine Liste der Bereiche gegeben, die in Zukunft nicht mehr Teil des Unternehmens sein sollten. »Man wolle ausgliedern, um zu sparen, hieß es.«
Dass das stimmt, zeigt eine Vorlage, die dem zuständigen Kreisausschuss vor dem Verkauf an die Diakonie von der Wirtschaftsberatung PricewaterhouseCoopers und der Gesellschaft für Beratung im Gesundheitswesen Kaysers & Hippler vorgelegt wurde: Die Wirtschaftsprüfer präsentieren den politisch Verantwortlichen darin eine Übersicht über mögliche Einsparmaßnahmen. Im Unterpunkt 3 geht es um »Outsourcing an einen externen Dienstleister«. Zur Erläuterung steht dort: »Outsourcing bedeutet faktisch, dass die genannten Leistungen nicht mehr von den Krankenhäusern in Eigenregie, sondern durch einen Dienstleister erbracht werden. Dabei wird eine Überleitung des Personals an den Dienstleister angestrebt.« So könnten Personalkosten gespart werden. Konkret werden folgende Bereiche genannt: Labor, Reinigung, Radiologie, Pforte und Zentralsterilisation. Auch eine eigene Küche soll es im neuen Klinikum nicht mehr geben. Allein durch diese Maßnahmen ergebe sich, so die Wirtschaftsprüfer, ein Einsparpotenzial von rund zehn Millionen Euro. Hinzu komme dann noch das, was im Abschnitt »Sonstige Sanierungsmaßnahmen« mit dem Unterpunkt »Zukunftssicherungstarif« überschrieben ist: eine temporäre Tarifabsenkung – der Gehaltsverzicht, von dem André Kucza sprach –, die »ein Potenzial in Höhe von zehn Millionen Euro erwarten« lasse. Macht insgesamt etwa zwanzig Millionen Euro an Einsparungen bei den Personalkosten – durch Ausgliederung und Gehaltskürzungen.
Was für André Kucza und seine Kollegen damals wie heute nicht nach Kirche klingt, haben die Wirtschaftsprüfer auf Grundlage von Berechnungen der Diakonie zusammengefasst. Bis 2015, so ist der Plan, soll die neue Klinik stehen. Bislang weigern sich die Mitarbeiter der Kreishäuser, den Gehaltsverzicht zu unterschreiben.
»Am Anfang«, sagt André Kucza noch, »wurde uns immer vermittelt, dass wir doch froh sein sollen. Dass die Diakonie doch gemeinnützig – und damit gut – sei, im Gegensatz zum bösen Privatklinikkonzern, der seine Anteilseigner zufriedenstellen müsse. Aber mir soll mal einer erklären, wo hier noch der Unterschied zwischen den Kapitalisten und der Kirche sein soll.«
Michael Schwekendiek und Heinz Kölking sind die Geschäftsführer des neuen
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