Gott hat hohe Nebenkosten: Wer wirklich für die Kirchen zahlt
Investors, der proDiako. Sie sitzen im Innenhof des Stadthagener Kreiskrankenhauses an einem der Gartentische aus dunkelbraunem Holz. Hier essen normalerweise die Mitarbeiter. Aber noch ist das Mittagsgeschäft nicht losgegangen und sie haben Zeit genug, ihre Sparpläne zu erläutern.
Er könne den Unmut der Mitarbeiter aus den Kreishäusern ja verstehen, beginnt der ehemalige Pfarrer und jetzige Geschäftsführer Michael Schwekendiek, sie seien eben anderes gewohnt. »Ich glaube aber, dass sie auf keinen Fall schlechter gestellt sein werden als Mitarbeiter in anderen Häusern«, sagt er und meint damit vor allem die Kollegen, die die Ausgliederungspläne betreffen. »Sie sind dann marktgerecht gestellt. Das müssen wir tun, denn es nützt uns nichts, wenn wir es nicht tun, und es geht uns alles den Bach runter.« – »Man kann sich dort nicht irgendwas leisten, was sich andere private Krankenhäuser auch nicht leisten können«, pflichtet Heinz Kölking ihm bei. Natürlich bekomme er mit, dass die kommunalen Mitarbeiter überrascht seien und von der Kirche nicht erwartet hätten, dass hier die gleichen Mechanismen griffen wie in der Privatwirtschaft. »Die Veränderung als solche ist immer ein Problem. Aber die Kirche ist natürlich auf dieser Erde und nicht im Himmel, und ich weiß nicht, welche Erwartungshaltung man mit ihr verbindet. Den Himmel auf Erden hat die Kirche, glaube ich, noch nie versprochen.«
Als es in Deutschland Mitte der Neunzigerjahre zum Umbau des Sozialstaates kam, standen die kirchlichen Träger vor einer neuen Herausforderung: Das Gesundheitssystem sollte auf Konkurrenz und Wettbewerb ausgerichtet werden. Neue, private Anbieter von Pflegeleistungen kamen auf den Markt. Statt mit einem Selbstkostendeckungsprinzip hatten es die Kirchen und ihre Wohlfahrtsverbände jetzt mit Fallpauschalen und festen Budgets zu tun. Die neuen Refinanzierungsbedingungen, der Kostendruck und der aufkeimende Wettbewerb brachten sie dazu, mehr und mehr nach betriebswirtschaftlicher Logik zu arbeiten.
Dabei spielt das besondere Arbeitsrecht eine Rolle. Die Kirchen nennen die Art und Weise, wie sie ihre Arbeitsbedingungen regeln, den »Dritten Weg«. Der »Erste Weg« ist die einseitige Festlegung von arbeitsrechtlichen Bestimmungen durch den Arbeitgeber, wie etwa im öffentlichen Dienst für die Beamten. Der »Zweite Weg« ist der der freien Wirtschaft, wo Tarifparteien mithilfe von Gewerkschaften die Arbeits- und Lohnbedingungen aushandeln. Der Dritte Weg der Kirchen bedeutet, dass man sich als Dienstgemeinschaft mit dem gleichen Auftrag – konkret mit der Verkündigung des Wortes Gottes und der tätigen Nächstenliebe – versteht und deshalb alle Konflikte innerhalb der christlichen Gemeinschaft klärt. Statt über Tarifverhandlungen mit Gewerkschaften erarbeiten Arbeitnehmer und Arbeitgeber in sogenannten arbeitsrechtlichen Kommissionen die Arbeitsvertragsrichtlinien der christlichen Kirchen. Das heißt, die Mitarbeiter vertreten sich selbst und werden in der Regel nicht durch von ihrem Arbeitgeber unabhängige Gewerkschaften unterstützt. So kann es vorkommen, dass ein Pfleger eines Krankenhauses mit einem Volljuristen derselben Einrichtung über sein Gehalt diskutiert. So soll es nicht sein, aber es ist nicht auszuschließen, dass es dazu kommt.
Die Beschäftigten verzichten in diesem Bereich des Kollektivarbeitsrechts auf grundlegende Arbeitnehmerrechte, da die Kirchen trotz der veränderten Rahmenbedingungen weiterhin davon ausgehen, dass sich ihre Mitarbeiter anders als in der Privatwirtschaft nicht als Vertreter unterschiedlicher Interessen begegnen, sondern in einer Gemeinschaft zusammenarbeiten.
Lange ging das gut, denn die arbeitsrechtlichen Kommissionen orientierten sich an den Tarifverhandlungen des öffentlichen Dienstes. Bei Tariferhöhungen gingen sie fast automatisch mit. Seit 2007 aber gibt es ein eigenständiges Tarifsystem für die Kirche: die Arbeitsvertragsrichtlinien. Während die katholische Kirche und die Caritas auf Einheitlichkeit achteten, funktionierte das neue Regelwerk in der evangelischen Kirche und der Diakonie nicht als Flächentarifvertrag. Im Gegenteil: Die diakonischen Werke der Landeskirchen können, müssen es aber nicht anwenden. Entsprechend zahlen diakonische Träger inzwischen schon mal unter Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes.
»Es ist ein Problem«, sagt Oberkirchenrat Detlev Fey von der evangelischen Kirche, Referent für Arbeitsrecht im Kirchenamt und
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