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Gott oder Zufall?

Gott oder Zufall?

Titel: Gott oder Zufall? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. J. Berry
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Verifikationsprinzip neu zu formulieren, damit es sich mit den Grundprinzipien des Logischen Positivismus vereinbaren lassen konnte, doch vergeblich. In einer Fernsehdiskussion war A. J. Ayer gezwungen, Bryan Magee gegenüber einzugestehen, dass »fast alles daran falsch war« und dass »im Detail nur sehr wenig übrig blieb«.
    Der Logische Positivismus schien in seiner Hochblüte eine ernste Bedrohung für die Religion zu sein, doch heutzutage stellt er lediglich ein Kapitel »unter ferner liefen« in der Philosophie der Gegenwart dar.
     
    Der »Positivismus«, auf den Medawar sich hier bezieht, war ein klassisches Beispiel für Weltanschauungen, die sich darauf auswirkten, wie das Wesen der Wissenschaft wahrgenommen wurde. Der Positivismus und sein jüngerer Bruder, der Logische Positivismus, veranschaulichen die Grenzen der Wissenschaft besonders gut.
     
    Dann stand er auf, drohte den Winden und dem See, und es trat völlige Stille ein. Die Leute aber staunten und sagten: »Was ist das für ein Mensch, dass ihm sogar die Winde und der See gehorchen?« (Matthäus 8,26–27).
Der Sturm auf dem See Genezareth,
gemalt von Rembrandt.  ©  © Art Archive/​ www.picture-desk.com /​Isabella Stewart Gardner Museum Boston/​Superstock
     
    Die bleibenden Spuren des Logischen Positivismus vermengen jedoch immer noch die Fragen, die die Wissenschaft beantworten kann, mit denen, die sie nicht lösen kann. Er erzeugt dann solche Anfragen wie: »Beweise mir auf wissenschaftliche Weise, dass Gott existiert.« Das ist ein seltsames Ansinnen, da der Inhalt der Wissenschaft die natürliche Welt ist, während zur Religion Fragen wie: »Gibt es noch etwas anderes als die natürliche Welt, dem die Welt der Natur ihre Existenz verdankt?« gestellt werden. Überraschenderweise muss man offenbar darauf hinweisen, dass es keinen Sinn hat, sich an die Wissenschaft (an das Studium der natürlichen Welt) zu wenden, um die Frage zu beantworten: »Gibt es noch etwas anderes als die natürliche Welt (das heißt Gott)«, dem die Welt der Natur ihre Existenz verdankt?
     
    Peter Medawar (1915–1987) erhielt den Nobelpreis für seine bahnbrechenden Entdeckungen auf dem Gebiet der Immunologie. Er war nicht gläubig, allerdings war ihm deutlich bewusst, dass die Wissenschaft Grenzen hatte.  ©  © Corbis
     
    Der Philosoph Thomas Kuhn (1922–1996) befasste sich mit der psychologischen, sozialen und historischen Entwicklung wissenschaftlicher Theorien. Er legte dar, dass das wissenschaftliche Unternehmen verschiedene Stadien durchläuft, angefangen von einer
vorwissenschaftlichen Phase
bis zum
Entstehen eines Paradigmas,
das dann zur
normativen Wissenschaft
wird. Paradigmen sind »allgemein anerkannte wissenschaftliche Leistungen, die für eine gewisse Zeit einer Gemeinschaft von Fachleuten maßgebende Probleme und Lösungen liefern«.
    Die Arbeit innerhalb eines Paradigmas liefert ganz selten unerwartete Ergebnisse, die nicht in das hineinpassen, was bisher als normale Wissenschaft klassifiziert wurde. Das führt, nach Kuhns Ansicht, zu einer Periode der Krise und der außerordentlichen Wissenschaft, die wiederum zur
revolutionären Wissenschaft
wird und in ein neues Paradigma einmündet. Dieser Prozess verläuft schrittweise. Ein Beispiel dafür ist der Umsturz des herrschenden Paradigmas der Physik Newtons und deren Ersetzung durch die Einsteinsche Relativitätstheorie, wenn es um sehr hohe Geschwindigkeiten nahe der Lichtgeschwindigkeit geht.
    Die von Karl Popper und Thomas Kuhn inspirierten Wissenschaftstheorien erklärten, dass das Bestreben, etwas zu falsifizieren statt zu verifizieren, eher im Einklang mit der wissenschaftlichen Methode stand als die positivistischen Hypothesen. Sie erkannten eine Struktur für wissenschaftliche Revolutionen, wodurch neue Möglichkeiten zur Wahrnehmung der Welt unser Verständnis von der Technik und ihre praktische Ausübung beeinflussen. Die Wissenschaft ist – wie das ganze Leben und Wissen – eine Mischung unserer subjektiven und objektiven Einsicht; unsere Sicht von der Welt untermauert und formt unsere Wissenschaft.
    In dem Kasten, wo der Unterschied zwischen »Wissenschaft« und »Szientismus« erläutert wird (siehe Kapitel
Das Wesen der Dinge/​ Wissenschaft
und
Szientismus
), behandelt der letzte Eintrag in jeder Liste einen Schlüsselaspekt für die Ausübung der Wissenschaft: Es geht darum, Erklärungen dafür zu finden, wie unsere Welt entstanden ist und wie sie

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