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Gott oder Zufall?

Gott oder Zufall?

Titel: Gott oder Zufall? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. J. Berry
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© Getty Image/​George Douglas/​Picture Post
     
    Eine Gruppe von Philosophen in den 1920er und 1930er Jahren in Wien betrachtete die Philosophie als die »Magd der Wissenschaft«. Sie sahen die Wissenschaft als Gegenstand »erster Ordnung« an, da sie »Aussagen über die Welt macht«, die, wie sie glaubten,
alles
sei. Die Philosophie war ein »Gegenstand zweiter Ordnung«, die die Logik anwendet, um das, was die Wissenschaftler sagen, zu analysieren. Für diese machen die Philosophen lediglich Aussagen »über das ›Aussagen-Machen über die Welt‹«. Ihr Feldzug – denn ein solcher war es – richtete sich gegen die Metaphysik und den Glauben, dass es noch andere Gegebenheiten als jene geben könnte, welche die sinnliche Wahrnehmung erkennen ließen. Sie wurden als der »Wiener Kreis« bezeichnet, der sich bemühte, positivistische Prinzipien mit Logik zu kombinieren und dadurch eine Theorie der Sprachbedeutung zu entwickeln; man nannte sie auch die Logischen Positivisten oder Logische Empiristen. Ihr Hauptdogma war das »Verifikationsprinzip«, das besagt: »Der Sinn eines Satzes besteht in seiner Verifikation.« Das heißt, dass ein Satz wie »Weißes Licht kann beim Durchgang durch ein Prisma in Farben aufgespalten werden« etwas bedeutet, weil er empirisch (experimentell) verifiziert werden kann, indem man tatsächlich weißes Licht durch ein Prisma schickt und die Zerlegung in Farben beobachtet. Andererseits lässt sich der Satz »Gott ist Liebe« den logischen Positivisten zufolge wissenschaftlich absolut nicht verifizieren, so dass dieser Satz ihrer Ansicht nach sinnlos ist.
    Der englische Meister auf dem Gebiet des Logischen Positivismus war A. J. Ayer. Sein Manifest zu diesem Thema wurde zuerst 1936 unter dem Titel
Language, Truth and Logic
(deutsche Ausgabe »Sprache, Wahrheit und Logik«) veröffentlicht, als er gerade mal 24 Jahre alt war. Dennoch stieß das ursprüngliche »Verifikationsprinzip« auf Schwierigkeiten, und Ayer war gezwungen, es in der zweiten Auflage seines Buches (1946) neu zu formulieren. Er artikulierte sich nun so: »Ein Satz ist wissenschaftlich nur dann sinnvoll, wenn die durch ihn ausgedrückte Proposition entweder analytisch oder empirisch verifizierbar ist.«
    Das führte dazu, dass die Logischen Positivisten zwei Arten von Sätzen als sinnvoll betrachten mussten: analytische Sätze wie »Ein Junggeselle ist ein unverheirateter Mann«, die Tautologien und per definitionem wahr sind; sowie synthetische Sätze wie »Vergissmeinnicht sind blau«, welche die Konzepte von »Vergissmeinnicht« und von »Blauheit« zusammenbringen. Solche Sätze können empirisch überprüft werden. In diesem Beispiel wird die nähere Bestimmung »die meisten« notwendig, wenn die Beobachtung ergibt, dass es auch rosafarbene »Vergissmeinnicht« gibt. Wenn das durch das Verifikationsprinzip ausgedrückte Ziel aufrechterhalten werden könnte, müssten wir Ayers Punkt recht geben, dass »es keine logische Begründung für einen Widerspruch zwischen der Religion und der Naturwissenschaft gibt … Denn da die religiösen Äußerungen des Theisten überhaupt keine genuinen (wahren) Sätze sind, können sie in gar keinem logischen Bezug zu den Aussagen der Wissenschaft stehen.« Mit einer einzigen Armbewegung ließen die Positivisten Religion und Metaphysik fallen, und in vielen Fällen auch ethische Ansprüche von falsch und richtig. Es war eine höfliche Art, dies zu tun, indem man nicht sagte, solche Dinge seien unwahr, sondern behauptete, dass ihre Aussagen – zu denen die religiösen gehörten – sinnlos seien.
    Die Bewegung verbreitete sich rasch nach dem Zweiten Weltkrieg, doch allmählich sollten unangenehme Fragen über den Status gerade hinsichtlich jener Aussage gestellt werden, auf der das Gebäude des Logischen Positivismus errichtet worden war: nämlich in Bezug auf das Verifikationsprinzip. Gehörte es selbst wirklich zu einer der beiden erlaubten Klassen von sinnvollen Aussagen? Es wurde deutlich, dass es den Samen seines eigenen Untergangs bereits in sich trug. Natürlich war es nicht analytisch – es war keine Tautologie –, doch auch bei sorgfältiger Überprüfung konnte seine Wahrheit empirisch nicht bestätigt werden – daher war es auch nicht synthetisch: Deshalb schien es, dass es nach der eigenen Definition der Positivisten selbst als sinnlos klassifiziert werden musste. Eine Katastrophe! Es wurden verschiedene Anstrengungen unternommen, das

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