Gott oder Zufall?
Eizelle) beginne. Sie sorgen sich um das Schicksal der Embryonen, die nicht den gewünschten Satz an Genen enthalten und deswegen vernichtet oder für die medizinische Forschung genutzt werden. Unbehagen bereiten zudem Eingriffe ins menschliche Erbgut, bei denen der Mensch gleichsam »Gott spielt«. Diese christlichen Gegner fürchten bei der Selektion von Embryonen mit bestimmten Eigenschaften einen Dammbruch: Anstelle der Dankbarkeit gegenüber Gott für ein Kind, welchen Geschlechts oder wie gesund es auch sei, trete eine »Konsumhaltung«.
Andere Christen stehen der PID offener gegenüber. Sie verweisen darauf, dass sich ungefähr zwei Drittel der Embryonen aus acht (und mehr) Zellen unter natürlichen Bedingungen ebenfalls nicht in die Gebärmutter einnisten. Die Embryonen, die anhand von PID -Ergebnissen als ungeeignet ausgesondert werden, machen nur einen winzigen Prozentsatz der Gesamtzahl der befruchteten Eizellen aus, die sich nicht zu Säuglingen entwickeln. Dem Argument des »Gottspielens« setzen sie entgegnen, dass wir unnötiges Leiden zulassen, wenn wir auf Methoden verzichten, um beispielsweise ein Gen auszumerzen, das eine Erbkrankheit weiterträgt.
Ein Dammbruch? Auch wenn Gegner der PID anerkennen, dass sich mit ihr lebensbedrohliche und gefährliche Krankheiten verhüten lassen, sehen sie die Gefahr, dass mit ihr bald auch andere Merkmale wie ein musikalisches Talent, sportliche Leistung, Intelligenz oder das Äußere beeinflusst würden. Solche Argumente zielen auf immer kompliziertere Fälle ab, so auf das Beispiel gehörloser Eltern, die eine PID beantragten, weil sie sich ein gehörloses Kind wünschten: Sie gingen davon aus, dass sich Kinder nur dann in die Welt ihrer Eltern einfühlen könnten, wenn sie entsprechende Wahrnehmungen hätten. Andere sehen darin einen Willkürakt, der einem Kind eine Behinderung aufbürdet – ungefähr so, als mache man seinen Nachwuchs zum Krüppel, damit er mehr Almosen erbetteln kann.
Pharmakogenetik
Verabreichte Medikamente müssen vom Körper verarbeitet, also in eine wirksame Form umgewandelt und abgebaut werden, wenn sie ihre Aufgabe erfüllt haben. Dafür sind in erster Linie verschiedene Stoffwechselenzyme verantwortlich. Unterschiedliche genetische Ausprägungen (Allele) eines Enzyms können ein Medikament auf verschiedene Weise verarbeiten. Deswegen kann ein Arzneistoff bei dem einen Patienten wirken, bei dem anderen aber versagen oder, schlimmer noch, lebensbedrohliche Nebenwirkungen ( NW ) hervorrufen. Wenn bekannt wäre, welche Ausprägung(en) eines Schlüsselenzyms ein Patient besitzt, müssten Ärzte ihn so auf Medikamente einstellen können, dass er bei größtmöglichem Nutzen geringstmögliche Nebenwirkungen spürt. Die Pharmakogenetik ist ein Beispiel für eine aufstrebende individualisierte oder
personalisierte Medizin,
die, so wird erwartet, in naher Zukunft eine deutlich größere Rolle spielen wird.
DNA -Sequenz und das Human-Genom-Projekt
Berichte über Ergebnisse und Auswirkungen der DNA -Sequenzierung tauchen inzwischen regelmäßig in Nachrichtenblättern auf. Die Möglichkeit, die komplette Reihenfolge des aus vier Buchstaben bestehenden Codes für einen Organismus zu bestimmen, besteht allerdings erst seit relativ kurzer Zeit. Als Robert Halley 1960 die Abfolge eines kurzen RNA -Moleküls veröffentlichte, war dies das Ergebnis von sieben Jahren Forschungsarbeit. Das Molekül war nur 80 Nukleotide (Bausteine oder »Buchstaben«) lang. Zum etablierten Laborverfahren avancierte die DNA -Sequenzierung erst 1977 mit der Einführung von zwei konkurrierenden Methoden. Die beliebtere, nach ihrem Erfinder Fred Sanger benannte Didesoxymethode ermöglichte es Forschern im Experiment, ungefähr 300 Nukleotide eindeutig zu benennen. Sie blieb allerdings aufwendig und beruhte auf einer radioaktiven Markierung des Erbmaterials. Das menschliche Erbgut besteht aus ungefähr 3 Milliarden (3 × 10 9 ) Nukleotiden. Während die Sequenzierung nach Sanger als Ansatz bei der Durchführung des ursprünglichen Human-Genom-Projekts ( HGP ) zentral blieb, waren mehrere wissenschaftliche und technische Entwicklungen notwendig, um das Verfahren weitgehend zu automatisieren: so die Fluoreszenzmarkierung der Nukleotide, Roboter zum Umgang mit Flüssigkeiten und erhöhte Rechenleistung. Dank dieser technischen Fortschritte konnten US -Präsident Clinton, Premierminister Blair und die beteiligten Forscher am 26. Juni 2000 gemeinsam verkünden,
Weitere Kostenlose Bücher