Gott oder Zufall?
dass jetzt eine Rohfassung des gesamten genetischen »Bauplans« der Menschheit vorliege.
Ausdruck eines kleinen Teils vom menschlichen Erbgut © © Science Photo Library/Phillipe Plailly
Die angekündigte Lawine an gentherapeutischen Ansätzen ließ den Großteil des folgenden Jahrzehnts auf sich warten. Allerdings haben sich die Methoden zur DNA -Sequenzierung in dieser Zeit vollständig verändert. Heute können die DNA -Basen ungefähr 50000-mal schneller abgelesen werden als im Jahr 2000, und dies zu einem Bruchteil der Kosten. Diese weiteren Entwicklungen erwiesen sich am Ende als nützlich.
Dabei wurde es möglich, in einer Reihe unterschiedlicher Genome (im Verfahren der vergleichenden Genetik) nach Ähnlichkeiten und Unterschieden zu suchen. So lassen sich zum Beispiel die DNA s verschiedener Arten miteinander vergleichen, um deren genetische Verwandtschaft zu ermitteln oder herauszufinden, warum ein bestimmter Bakterienstamm gegen ein Antibiotikum resistent wurde, ein anderer aber nicht. Auch kann man die DNA einer großen Masse von Menschen, die an einer Erbkrankheit leiden, mit einer anderen ohne diese Krankheit vergleichen. Auf die Art lassen sich die Gene ermitteln, die die Symptome auslösen oder beeinflussen. Solche sogenannten genomweiten Assoziationsstudien, auf denen große Hoffnungen ruhen, tragen schon erste Früchte. Mit einem eingehenderen Verständnis der genetischen Grundlagen einer Erkrankung müsste es möglich werden, Behandlungen zu entwickeln, die auf den einzelnen Patienten zugeschnitten sind.
Dank einer weiteren Anwendung der Genom-Analyse können die DNA s verschiedener Zellen eines Individuums miteinander verglichen und so Krebszellen sowie Orte im Körper aufgespürt werden, in denen der Krebs gestreut hat. Das Verfahren ist für die Diagnose und Prognose der Erkrankung bedeutsam und könnte Ärzten bei der Suche nach einer geeigneten Behandlung helfen.
Die Ethik von Sequenzierungsprojekten
Wie diese Beispiele illustrieren, bergen großangelegte Sequenzierungsprojekte einen gewaltigen potenziellen Nutzen. Dabei werfen sie jedoch auch ethische Fragen auf, so die nach den Kosten solcher Forschungen. Außerdem wurde Besorgnis laut, dass in den vorgetragenen Begründungen für diese Sequenzierungen der Einfluss von Genen gegenüber Umweltfaktoren und Gesellschaft (Natur gegen Erziehung) überbewertet würde. Das HGP offenbarte, dass überraschend wenig Gene Proteine codieren und wie wenig wir darüber wissen, wie die Gene in ihrer Tätigkeit reguliert werden. Positiv ist dagegen hervorzuheben: Die wachsenden Hinweise darauf, dass eine Vielfalt an epigenetischen – nicht auf der DNA angesiedelten – Erbfaktoren bestimmen, welche Gene an- oder ausgeschaltet werden, konnten Befürchtungen um einen
genetischen Determinismus
dämpfen.
Manche Erbkrankheiten treten in bestimmten Gruppen (so Sichelzellenanämie unter Schwarzafrikanern oder das Tay-Sachs-Syndrom unter aschkenasischen Juden) gehäuft auf. Es gibt Befürchtungen, dass weitere Erkenntnisse zu Erbkrankheiten, die entlang ethnischer Linien weitergegeben werden, dazu missbraucht werden könnten, Spannungen zwischen Rassen zu schüren.
Die Patentierung menschlicher Gensequenzen
Inzwischen sind bereits menschliche Gensequenzen patentiert worden. Mit solchen Patentierungen gelangt noch mehr Macht in die Hände von Mächtigen. Auch könnten sich Patente darauf auswirken, was Behandlungen von Erbkrankheiten kosten und wer sie sich leisten kann.
Gentherapie
Patienten mit Erkrankungen, die auf DNA -Fehlern beruhen, sind oft lebenslang auf belastende Behandlungen angewiesen, die mitunter sogar ihr Leben verkürzen können. Anstatt nur Symptome zu lindern, setzt die Gentherapie bei den Ursachen an und zielt auf dauerhafte Heilung. In der einfachsten Form wird einem Patienten, dessen Krankheit durch zwei defekte Kopien eines Gens hervorgerufen wird, ein funktionstüchtiges Gen in die Zellen eingeschleust. Erfolge zeigt diese Methode inzwischen bereits vor allem bei der Behandlung von Blutbildungsstörungen: Dem Patienten wird Knochenmark entnommen, außerhalb des Körpers
(ex vivo)
verändert und wieder eingebracht.
Solche Methoden werden unter den gentechnischen Verfahren schon deshalb besonders gut akzeptiert, weil an den Forschungen keine Embryos beteiligt sind. Einige Streitfälle gab es um die Sicherheit der Patienten, entweder weil die Viren, mit denen das neue Gen in die Zellen eingeschleust wird,
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